Eichstätt
Aus Fremden werden Freunde

Flüchtlingshelfer im Landkreis: Persönliche Kontakte sind ausschlaggebend zur Integration

11.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:13 Uhr

Marion und Albert Schneider vermitteln Sprachkenntnisse in Arnsberg.

Eichstätt (EK) Liebevoll nimmt Xaver Kleinhans den kleinen Churchill auf den Arm: Der Bub gluckst vor Wonne. Seine Eltern Christiana und Edwin stammen aus Nigeria, sind Flüchtlinge und in Obereichstätt untergebracht. Zu Kleinhans hat Churchill eine ganz besondere Beziehung: Er ist sein Patensohn.

Die Politiker sind voll des Lobes: "Ohne die Ehrenamtlichen würde es nicht gehen", heißt es unisono. Gemeint sind die Helfer, die sich jenseits staatlicher Strukturen um Flüchtlinge kümmern. Außenstehende haben oft verschwommene Vorstellungen, was sie leisten. Fahrdienste, Unterstützung bei Behördengängen oder die Vermittlung von Sprachkenntnissen - all das sagt sich leicht und ist doch oft schwer umzusetzen. Vor allem aber füllen die freiwilligen Helfer den Begriff "Integration" mit Leben. Aus vorsichtigen Annäherungsversuchen sind im Lauf der Zeit Freundschaften entstanden.

Xaver Kleinhans ist stolz, als Taufpate ausgewählt worden zu sein. Gemeinsam mit anderen, Doris Braun, Christine Völker und Sonja Hornung zählen dazu, kümmert er sich um die sechsköpfige nigerianische Flüchtlingsfamilie. Deren Kinder sind ein bis sechs Jahre alt. Immer wieder brauchen die Afrikaner Unterstützung: "Die Kinder sind krank und müssen zum Arzt", berichtet Kleinhans. Edwin würde gern arbeiten, er sei Schweißer gewesen, sagt er. Aber da gibt es einiges an Dokumenten auszufüllen. Kleinhans und seine Mitstreiter sind behilflich. Die Verständigung ist mühsam - trotz angebotener Sprachkurse. "Sie sprechen ein halbschariges Englisch, das klingt etwas eigenwillig", sagt Kleinhans. Edwin und Christiana bemühen sich, aber die Fortschritte in der deutschen Sprache sind überschaubar. Die Hoffnung ruht auf den Kindern: Die beiden Ältesten besuchen den Kindergarten. "Da klappt's", freut sich Kleinhans.

Christel Rückschloss-Friedel aus Workerszell engagiert sich in der Gemeinschaftsunterkunft Rupertsbuch. Der dortige Helferkreis begleitet die Migranten, in der Regel Syrer und Afghanen, zum Arzt, in den Kindergarten, in die Schule, zu Behörden - wenn es nötig ist. Rückschloss-Friedel, die bei der Diakonie Ingolstadt in der Sozialen Beratung tätig ist, hat nicht zuletzt die Schuldnerberatung im Auge. "Oft gibt es Probleme mit Handyverträgen. Die Flüchtlinge verstehen nicht, dass so ein Vertrag für beide Seiten bindend ist. Sie kennen unser Rechtssystem nicht." Sie und die anderen Helfer bemühen sich, das deutsche System transparent zu machen. Was die Sache erschwere: Viele der Flüchtlinge seien Analphabeten.

Die Diplom-Pädagogin hilft aus einem bestimmten Selbstverständnis heraus: "Uns geht's so gut hier, wir haben keinen Krieg. Ich möchte etwas abgeben davon. Mir geht es auch darum, dass unsere Gesellschaft eine offene Gesellschaft ist." Vielleicht werde Deutschland irgendwann froh sein, Migranten im Land zu haben. Die Gesellschaft könne von anderen Kulturen lernen. Erste Ansätze gebe es bereits: Die Flüchtlinge werden in die örtlichen Vereine und zu den Festen eingeladen. "Die eine Familie kommt, andere nicht", sagt Rückschloss-Friedel. Und es bestünden Kontakte zwischen jungen Müttern. "Das funktioniert ganz gut."

Marion und Albert Schneider aus Arnsberg haben sich ganz konkret der Vermittlung der deutschen Sprache verschrieben. Es gibt einen Helferkreis in dem Kipfenberger Ortsteil; die Schneiders halten losen Kontakt. Langsam ist das Ehepaar in diese Aufgabe hineingewachsen. Am Anfang wollte es die Flüchtlinge, die in Arnsberg ankamen, nicht einfach im Regen stehen lassen: Die Technische Angestellte und der Bauingenieur brachten Sachen vorbei. Die Kommunikation war kompliziert: Einige der Migranten sprachen Englisch, andere Französisch, Deutsch keiner.

Irgendwann bat ein Senegalese die Schneiders, mit ihm Deutsch zu üben. Das taten sie: im Garten des Anwesens, in dem die Flüchtlinge untergebracht sind. "Mit Händen und Füßen." Andere kamen hinzu und wollten mitmachen. Seit Anfang September finden die Lektionen einmal pro Woche im Kindergarten statt. Marion und Albert Schneider unterrichten jetzt getrennt: Jeder kümmert sich um etwa drei bis vier Leute. "Da kann man besser auf den Einzelnen eingehen", sagt Marion Schneider.

Zu Beginn seien sie von Zweifeln geplagt gewesen. "Können wir das überhaupt", fragten sie sich. Und überlegten: "Wie würde es uns gehen, wenn wir im Ausland wären" Sie begannen mit einfachen Dingen. Ein Heft diente als Anleitung. "Aber viel kommt auch aus dem Bauch heraus." Wichtig seien Rollenspiele. Und wenn die beiden wissen wollen, wie es ihren Schülern beim Erlernen einer fremden Sprache geht, versuchen sie, deren Muttersprache zu imitieren. "Das Gelächter ist jedes Mal groß."

Ihr Tun empfindet Ehepaar Schneider als persönlich bereichernd. "Mir macht es Spaß zu unterrichten", hat der Bauingenieur erkannt. "Mich begeistert auch, wie gut die drauf sind. Sie sind alle freundlich, höflich und aufgeschlossen. Echt toll", findet er. Und die Flüchtlinge seien bereit, sich in die Dorfgemeinschaft einzubringen. Ein Beispiel: Vier von ihnen haben bei der Aktion "Saubere Landschaft" mitgemacht.

Migranten und Einheimische scheinen zusammenzuwachsen: "Wenn man mehrere Monate mit ihnen zusammen ist, bekommt man eine andere Einstellung zur Asylproblematik", hat der Ingenieur erkannt. "Bedenken relativieren sich. Wir haben doch alle die gleichen Ziele, Ideen und Träume."