Eichstätt
Auf weniger gute Zeiten vorbereitet sein

Wer soll in meinem Namen handeln, wenn ich dazu nicht mehr in der Lage bin?

04.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:21 Uhr

Ein erfahrenes Team rund um das Thema Vorsorge: Die Mitarbeiter der Betreuungsstelle mit (von rechts) Fachbereichsleiter Gerhard Börner, Jasmin Sommer, Maria Flieger und Florian Hopfenbeck. Zum Team gehört noch Thomas Steinbüchl. - Foto: Preis

Eichstätt (EK) Die Unsicherheit ist groß, wenn es um die Unterscheidung von Begriffen wie „Gesetzliche Betreuung“, „Vorsorgevollmacht“, „Betreuungsverfügung“ und „Patientenverfügung“ geht.

Ein Team von Fachkräften steht im Landkreis für Beratung und Hilfe zur Verfügung. Viel zu wenige Menschen in Deutschland denken daran, Vorsorge für weniger gute Zeiten zu treffen – nämlich für den Fall, dass sie infolge eines Unfalls, einer schweren Erkrankung oder auch durch Nachlassen der geistigen Kräfte im Alter ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst wie gewohnt regeln können.

„Wir erleben immer wieder, dass manche Familien sehr unvorbereitet sind, wenn ein Schicksalsschlag über sie hereinbricht und teilweise junge Leute bei einem Unfall verunglücken, ins Koma fallen und keine eigenen Wünsche äußern können. Die Frage, was wir in dieser oder jener Situation tun sollen, wird leider verdrängt oder hinausgeschoben“, sagt Fachbereichsleiter Gerhard Börner. Er hat in der Betreuungsstelle des Landratsamtes Eichstätt täglich mit diesen Fragen und Fällen zu tun und ebenso wie seine Kollegen Maria Flieger, Florian Hopfenbeck, Jasmin Sommer und Thomas Steinbüchl viel Erfahrung und Beratungskompetenz.

Auch Frank Schneider, Sachgebietsleiter des Amtes für Soziales und Senioren, bei dem die Betreuungsstelle fachlich angesiedelt ist, plädiert dafür, sich generell die Frage zu stellen, wer im Ernstfall Entscheidungen für einen selbst treffen soll, sollte man vorübergehend oder auf Dauer nicht mehr dazu in der Lage sein. „Es ist wichtig, für den Betreuungsfall Festlegungen zu treffen, nicht erst im Alter. Denn es ist nicht automatisch so, dass Familienangehörige für die rechtliche Vertretung zuständig sind. Im Bedarfsfall bestimmt immer das Betreuungsgericht einen Betreuer zur gesetzlichen Vertretung“, betont Frank Schneider. Die Betreuungsstelle ist jedem Landkreisbürger auf Wunsch dabei behilflich, nach deutschem Recht vorzusorgen, indem er schriftliche Wünsche für die Auswahl eines möglichen Betreuers wie auch die Vorstellungen für dessen Amtsführung formuliert.

Die Aufgaben der Eichstätter Betreuungsstelle umfassen ein breites Spektrum: So leisten die Fachkräfte allgemeine Beratung und Information interessierter Bürger oder Angehöriger über Betreuung und deren Vermeidung (Vorsorgevollmachten, Betreuungs- und Patientenverfügungen), kümmern sich um Aus- und Fortbildung von ehrenamtlichen Betreuern, beraten und unterstützen diese Betreuungspersonen in sämtlichen Anliegen rund um einen Betreuungsfall, beteiligen sich an Verfahren für das Betreuungsgericht in Form von Sozialberichten. Dazu gehört auch der Vollzug gerichtlicher Entscheidungen in Betreuungs- und Unterbringungssachen.

Die Mitarbeiter informieren übrigens nicht nur auf Einladung von Verbänden und Vereinen im gesamten Landkreisgebiet, sondern bieten auch persönliche Termine im Landratsamt oder auch bei Hausbesuchen an. Es sei ein Irrglaube, dass beispielsweise bei Ehepaaren automatisch der Partner im Krankheitsfall als Betreuer und damit Entscheidungsbefugter eingesetzt werde. „Dem ist nur so, wenn man dies als seinen Willen im Rahmen einer Vorsorgevollmacht schriftlich explizit kundtut“, warnt Börner.

Aufräumen wollen die Fachleute der Betreuungsstelle auch mit der Mär, dass bei der Bestellung eines gesetzlichen Betreuers dies immer ein Berufsbetreuer ist. Da gebe es viel Panik und Angstmacherei, plötzlich einem Fremden das Ruder überlassen zu müssen: Die Betreuungsstelle sei hingegen verpflichtet, zuerst im familiären Umfeld nach einem Betreuer zu suchen. Neun von zehn Betreuungen würden von Angehörigen geführt, wobei die Fachkräfte nicht verhehlen, dass eine Betreuung mit Aufwand verbunden ist. „Bei komplexen Krankheitsbildern ist ein Angehöriger rasch überfordert, auch bei psychischen Erkrankungen. Da ist ein geschulter Fachbetreuer eine gute Lösung“, so Florian Hopfenbeck.

„Nachdem der Missbrauch gerade bei älteren Leuten stark zunimmt, raten wir allen, nicht irgendwelche Formulare zu unterschreiben, die vorgelegt werden – sondern sich von einer unabhängigen Stelle beraten zu lassen“, sagt Maria Flieger. In puncto Patientenverfügung sei auch der Haus- und Facharzt eine gute Ansprechperson.

Krasse Fälle von Vollmachtsmissbrauch hat auch Jasmin Sommer schon erlebt. „Da werden Eltern von ihren Kindern getäuscht, das ist unglaublich. Eine Vollmacht ist registrierbar und kann beim Notar hinterlegt werden. Wer jemandem eine Vollmacht erteilt, der sollte hundertprozentiges Vertrauen zu dieser Person haben. Das gilt auch und gerade für Bankvollmachten oder Betreuungsverfügungen“, sagt Sommer. Aktuell ist die Stelle übrigens auf der Suche nach ehrenamtlichen Betreuern, welche einfache Betreuungen in geringem Umfang übernehmen könnten: eine ältere Dame einmal im Monat im Pflegeheim besuchen, deren Post erledigen, ein Kleidungsstück oder Dinge für persönlichen Bedarf kaufen und den Kontakt zu den Pflegekräften halten.

Dies erfordere nicht viel Zeit, entfalte aber große Wirkung – die Ehrenamtlichen erhalten dafür auch eine kleine Aufwandspauschale pro Jahr und werden von den Fachkräften der Betreuungsstelle fachlich geschult und begleitet.

Die Mitarbeiter der Betreuungsstelle im Landratsamt Eichstätt, Grabmannstraße 2, sind unter der Telefonnummer (0 84 21) 70-5 25 oder per E-Mail unter betreuungsstelle@lra-ei.bayern.de erreichbar. Auf der Homepage des Landkreises Eichstätt sind unter www.landkreis-eichstaett.de nähere Informationen über das Amt für Soziales und Senioren und die angegliederte Betreuungsstelle abrufbar.