Eichstätt
Angst vor Spionen

Benediktinerinnen unter Verdacht Hilfsschutzleute angestellt

29.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

„Unsere Villa in Frankreich“: Soldaten präsentieren sich vor einem Wellblechunterstand. In der mittleren Reihe sitzt Martin Mießl aus Eichstätt (4. von links). Unten sind die Schwestern von Sankt Walburg in ihrer Arbeitskleidung zu sehen, die eines Abends in Verdacht gerieten, Spione zu sein. Repros: je

Eichstätt (EK) Auch in der Heimat, weit ab von der Front, bekamen die Menschen den Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 schmerzlich zu spüren. Die ersten Todesnachrichten trafen ein, es fehlte an Erntehelfern und vielerorts an Arbeitern und es galt, einen „ganzen Rattenschwanz“ von Verordnungen und Bekanntmachungen zu befolgen. In den ersten Wochen ging in Eichstätt und den Gemeinden zudem eine große Furcht vor Spionen um.

In einer Bekanntmachung „Im Namen Seiner Majestät des Königs“ wurde bestimmt, dass verdächtige Wahrnehmungen und jeder Fall von Spionage dem nächsten Offizier oder der nächsten Militärbehörde zu melden sind.“ Um so eine Nachricht absetzen zu können, konnten Telefon, Telegrammbüros und fahrplanmäßige Züge kostenlos genutzt werden. Der Stadtmagistrat suchte im Namen des Armeekorps freiwillige Verstärkung für den Bahnschutz. Insbesondere wurden ehemalige Offiziere zur Aufsicht gesucht. Die Bahnschützer bekamen Armbinden.

Die Zeitungen durften „Bewegungen von Truppen und von Verteidigungsmitteln“ nicht veröffentlichen. Nur noch Nachrichten des Armee-Oberkommandos waren zum Abdruck frei. Bestimmt war auch, dass Autos aus dem feindlichen Ausland zu stoppen und die Insassen festzuhalten sind.

Helle Aufregung herrschte eines Abends: Eine fieberhafte Fahndung nach Spionen lief in der Stadt. In der Nähe des Doms waren zwei verdächtige Personen gesehen worden, worauf bis spät in die Nacht das Gotteshaus und die Umgebung nach ihnen durchsucht wurden: Sie waren aber spurlos verschwunden. Am anderen Tag stellte sich heraus, dass es sich um zwei Schwestern von Sankt Walburg handelte, die von der Feldarbeit heimgekehrt waren. Die Nonnen trugen die übliche graue klösterliche Arbeitskleidung und breitkrempige schwarze Hüte. Sicher schwang sich mancher Eichstätter zu einem Hobbydetektiv auf, als Bürgermeister Eduard Mager Folgendes bekanntgab: „Verschiedene Autos mit Geld sind von Frankreich nach Russland unterwegs. Ein Wagen trägt die Nummer 12386. Teilweise ist das Geld an Radfahrer, teils an als Maurer und anderweitig verkleidete Personen verteilt worden. Auf verdächtige Radfahrer ist scharfes Augenmerk zu richten. Solche sind sofort anzuhalten.“ Dazu passte eine Meldung aus der Nachbarstadt Ingolstadt, wo vier Autos beschlagnahmt wurden, die für Russland bestimmt waren.

In Verdacht, für eine fremde Macht tätig zu sein, geriet Ende August 1914 Margarete Wolff, geborene Doboszynska, aus Eichstätt. Sie konnte sich nur durch eine ziemlich große Anzeige im EICHSTÄTTER KURIER vor Anfeindungen schützen. Der Wortlaut: „Um irrigen Meinungen entgegen zu treten, konstatiere ich, dass ich preußische Staatsangehörige bin und dass mein Sohn sowie mein Schwiegersohn im deutschen Heere stehen. Schließlich bemerke ich noch, dass ich sowohl unter dem Schutze des Deutschen Reichs als der Eichstätter Polizei stehe und dass jedermann, der mich belästigt, Strafeinschreitung zu gewärtigen hat.“ Wolff hatte zuvor eine Fahne am Haus angebracht, die Passanten bedenklich vorkam. Ähnlich erging es der Abtei Sankt Walburg, wo eine Fahne in den Klosterfarben gelb und rot gehisst war. Das rief einige Personen auf den Plan, die meinten, es handele sich um eine englische Flagge. Sie verlangten die Entfernung und drohten sogar, das Tuch zu verbrennen.

Unter der Überschrift „Feststellung von Spionen“ informierte Bürgermeister Mager: „Heute wurde eine verdächtige Person in der Nähe der Willibaldsburg beobachtet.“ Sie sei geflohen und habe dabei eine Geldbörse mit ein paar gebrauchten französischen und rumänischen Briefmarken verloren. Die Festnahme sei misslungen.

Die Stadtpolizisten hatten in diesen Monaten wohl keine ruhige Stunde. Aus dem Grund stellte der Magistrat zwei Hilfsschutzleute zur Verstärkung der Mannschaft ein: den städtischen Maurer Karl Böhm und den Gastwirt Gustav Ferchland.

Eine Nation im Kriegszustand kann natürlich nicht dulden, dass ausländische Jäger in den Revieren auf Pirsch gehen. So lautete eine weitere Bekanntmachung von Bürgermeister Eduard Mager, dass die Jagdscheine von Bürgern feindlicher Staaten ihre Gültigkeit verlieren und solchen Personen das Tragen von Schusswaffen verboten ist. Verwunderlich ist es nicht, dass gegen Ende August Zeitungsmeldungen mit dem Tenor „Warnung vor schädlichem Übereifer Unberufener“ erschienen. Darin wurde geklagt: „In Kriegszeiten erhöht sich die Zahl der Gschaftlhuber, die überall die Nase drin haben müssen. Ohne die mindeste Sachkenntnis treiben sie eine Art Staatsaufsicht.“

Im nächsten Beitrag der Lokalserie zum Ersten Weltkrieg geht es um die Hilfe aus der Heimat für die Soldaten durch den Frauenverein des Rotes Kreuzes und durch private Liebesgaben.