Eichstätt
150 Millionen Jahre in einer Stunde

Friederike Müller und Ulrich Heider gehören zu den zehn neuen Führern des Eichstätter Jura-Museums

01.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Zeitreise ins Jurameer: So heißt die Führung, die den Besuchergruppen ein möglichst vollständiges Bild von der Vorgeschichte Eichstätts vermitteln soll.

Eichstätt (EK) Neue Führer für das Eichstätter Jura-Museum: Zehn Frauen und Männer haben die jüngste Ausbildungsstaffel absolviert und lotsen bereits verschiedenste Gruppen durch die Räume der Willibaldsburg. Bei rund 600 Führungen im Jahr sei das eine gute Unterstützung, sagt Hans-Dieter Haas.

Der Museumspädagoge hat sich zusammen mit Museumsleiterin Martina Kölbl-Ebert um die Ausbildung der neuen Führer gekümmert. Von Januar bis Mai fand jeden Montag eine Unterrichtseinheit statt. Dazu kamen Exkursionen. Die Themen: Riffe, Plattenkalke, Fossilien. Evolution. Geschichte des Museums. Der Archäopteryx. Und noch mehr. „Ein Führer muss mehr erzählen können als das Nötigste“, begründet Haas. Sämtliche Fakten in einer Stunde unterbringen? Unmöglich! „Ich vergleiche das gerne mit einem Maßkrug“, beschreibt der Museumspädagoge, der seit 28 Jahren in Eichstätt tätig ist und 1980 selbst diese Ausbildung absolviert hat. „Das Bier ist die Fülle an Inhalten, über die man Bescheid weiß, der Schaum ist das, was davon in das Zeitfenster einer Führung passt.“ Denn wenn man wollte, so Haas, könnte man tagelang durch die Räume der Willibaldsburg wandeln – der Stoff würde nicht ausgehen.

Eine Stunde? „Viel zu wenig“, meint Ulrich Heider. Er gehört zu den zehn Frauen und Männern, die seit ihrer Prüfung nun Besucher durch die Fossilienschau begleiten. Heute passiert das in Absprache mit der ebenfalls neuen Friederike Müller. Die beiden kümmern sich um eine deutsch-polnische Gruppe, 45 Jugendliche im Alter von elf bis 17 Jahren. Die deutsche Hälfte übernimmt die 24-jährige Studentin, die polnische der 70-jährige pensionierte Luftwaffengeneral. „Mal sehen, wie das wird. Die Zeit, in der der Dolmetscher übersetzt, muss ich mit einplanen“, sagt Heider und geht im Kopf schon einmal die ihm wichtigsten Eckdaten des heutigen Rundgangs durch.

Rund 600 Führungen gibt es im Jahr. Vor rund 30 Jahren, als er angefangen habe, waren es vielleicht 50 Stück, sagt Haas. „Damals waren es vier Führer“, erklärt er. Über die Jahre hinweg hat es vier Ausbildungsstaffeln gegeben. Jetzt gibt es einen stabilen Stamm von 20 Personen, die Wissenswertes über das Museum und seine Exponate vortragen können. „Eine super Truppe“, betont Haas.

Ulrich Heider fängt gerne im Eingangsbereich an mit seiner Tour. „Ich mag es, den Besuchern an den Globen die Welt zu erklären“, sagt er. Auf den zwei dicken blauen Kugeln sieht man die Kontinente – so, wie sie heute sind, und so, wie sie vor 150 Millionen Jahren ausgesehen haben. Danach geht es über die Plattenkalke und den Juravenator zum Archäopteryx und schließlich zu den lebenden Fossilien. Völliges Kontrastprogramm für den 70-Jährigen. Heider lacht. „Das hat mit dem, was ich als General gemacht habe, überhaupt nichts zu tun.“ Und gerade darin liegt für ihn der Reiz. Seit 2012 ist Heider als Stadtführer in Eichstätt unterwegs, nun hat er auch das Jura-Museum für sich erobert. Seine Motivation? „Ich wollte im Ruhestand bewusst etwas anderes machen. Und ich lerne gerne“, verrät er. In seinem Alter noch einmal auf der anderen Seite zu stehen, der Prüfling zu sein, das sei schon sehr spannend gewesen.

Viel zu lernen und sehr anstrengend: So beschreibt Friederike Müller die Ausbildung. „Das hatte ich so nicht erwartet“, meint sie und grinst. Die 24-jährige Erfurterin studiert in Eichstätt Lehramt für Geografie und Englisch – und wollte einen fachbezogenen Nebenjob. „Hier kommen noch Geologie und Biologie dazu, und viele andere Aspekte“, erklärt die junge Frau. Die Prüfung? „Das war schon Nervenkitzel“, gesteht sie. Aber spannend sei die Aufgabe, jede ihrer bisher zwölf Touren sei eine neue Herausforderung gewesen. „Man entwickelt ein Gespür für die verschiedenen Altersklassen“, sagt Müller. „Das bringt mir viel für mein Studium.“

Während Ulrich Heider bei den lebenden Fossilien enden will, beginnt Friederike Müller den Rundgang an diesem Tag in dieser Abteilung, steigt mit dem Nautilus in die Zeitreise ins Jurameer ein. Kein Problem, für keinen der Führer. „Diese Flexibilität ist wichtig“, betont Hans-Dieter Haas. Bestimmte Voraussetzungen für die Ausbildung habe es zwar nicht gegeben. „Anspruchslos war sie dagegen nicht.“ Auch deshalb, weil man sich auf die verschiedenen Bedürfnisse der verschiedenen Besucher einstellen müsse. Eine weitere Seite des Führer-Daseins, die Ulrich Heider ebenfalls fasziniert. „Bei Kindern kann ich nicht dozieren. Sie muss man in ein Gespräch verwickeln“, beschreibt er. Er empfände es dann als unheimlich schön, wenn sie nach dem Besuch begeistert nach Hause gehen.