"Da ist viel Entfremdung zu spüren"

ZdK-Präsident Alois Glück über die Differenzen zwischen Kirche und Gläubigen

19.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

ZdK-Präsident Alois Glück spricht im Interview mit Rasmus Buchsteiner über die Differenzen zwischen Kirche und Gläubigen.

Herr Glück, die Familien-Synode in Rom ist zu Ende, der Streit über den Umgang mit Ehe, Scheidung und Homosexualität bleibt. Papst Franziskus hat zum Abschluss der Synode Diskussionen „voll von Glauben, Offenheit und Mut“ gelobt.

 

Spüren Sie als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) Aufbruchstimmung in der Kirche?

Alois Glück: Dass es Bewegung gibt und eine offene Atmosphäre der Diskussion und des Miteinanders, ist für jeden spürbar. Der Vatikan hat auch die Kirchenbasis über ihr Verständnis von Ehe und Familie befragt. Das war schon ein Zeichen der Veränderung und des Aufbruchs.

 

Reformer und Gegner eines Öffnungskurses haben bei der Synode harte Debatten ausgetragen. Bei den Konservativen war nachher sogar von „Verrat“ die Rede. Steht die katholische Kirche vor einer Zerreißprobe?

Glück: Diese Gefahr besteht nicht. Die Debatte wird schließlich offen und ehrlich geführt. Es ist ganz normal, dass es dabei Spannungen gibt. Man muss die Auseinandersetzung so gestalten, dass jedem klar ist, dass es um die Sache geht und nicht um Machtfragen in der Kirche. Es müssen grundsätzliche Fragen besprochen werden. Wir müssen sehen, ob kirchliche Lehre sich weiterentwickeln kann oder Tradition nur verstanden wird als starres Festhalten am Bestehenden.

 

Wie weit ist die Kirche mit ihren Positionen zur Familie vom Alltag der Gläubigen entfernt?

Glück: Die Umfrage des Vatikans in Deutschland und in weiten Teilen der Welt hat gezeigt, dass sich die offizielle kirchliche Lehre und das Leben der Katholiken weit auseinanderentwickelt haben. Da ist viel Entfremdung zu spüren. Wir können Menschen, die eine rein aus naturrechtlichen Positionen heraus entwickelte Lehre nicht mehr verstehen, nicht einfach den Glauben absprechen. Es geht nicht um Veränderung, sondern um Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre. Das muss die Kirche angehen, wenn sie nicht noch mehr Menschen verlieren will.

 

Können Sie sich homosexuelle Paare mit dem Segen der katholischen Kirche vorstellen?

Glück: Es kann durchaus Wege geben, solche Beziehungen zu segnen. Aber es wird sicher keine Gleichsetzung mit der Ehe erfolgen. Das würde dem katholischen Verständnis von Familie widersprechen.