"Eine wichtige innovative Keimzelle"

29.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

Auf die Interimszeit folgt die Amtszeit als gewählte Präsidentin: Die Stiftung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) hat Gabriele Gien nun auch offiziell zur neuen Präsidentin ernannt. Der Vorsitzende des Stiftungsrats, Weihbischof Anton Losinger, überreichte ihr die Ernennungsurkunde, nachdem der Vatikan die Wahl vom 15. Juni offiziell bestätigt hatte. Im Interview mit unserer Zeitung blickt die 54-Jährige zurück und wagt eine Perspektive in die Zukunft der KU. - Foto: Stiftung KU

Eichstätt (dk) KU-Präsidentin Gabriele Gien spricht im Interview über ihre Aufgabe und die Arbeit der kommenden Jahre.

Wie fühlen Sie sich nach Ihrer Wahl zur Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt?

Gabriele Gien: Es war noch gar nicht so viel Zeit, zu fühlen: Direkt nach der Wahl ging es einfach weiter. Natürlich ist jetzt eine gewisse Anspannung weg, aber das Alltagsgeschäft geht weiter. Es ist die Sommerpause in Sicht, so dass man die strategischen Überlegungen für die nächsten drei bis fünf Jahre dann genauer konkretisieren kann.

 

Sie sind mit deutlicher Mehrheit gewählt worden - also eine Bestätigung ihrer bisherigen Amtsführung im Interim.

Gien: So könnte man das interpretieren.

 

Was können Sie aus dem bisher Erreichten mit in Ihre reguläre Amtszeit nehmen?

Gien: Es ist eine ganze Reihe von Dingen abgeschlossen. Wir haben in relativ kurzer Zeit ein ganzes Programm für die Forschungsförderung aufgestellt. Damit verbindet sich natürlich das Ziel der DFG-Mitgliedschaft: Das ist jetzt eine der Hauptbaustellen. Wir sind da auf einem guten Weg. Auch im Bereich der Internationalisierung - insbesondere im Netzwerk der Katholischen Universitäten - ist viel erreicht worden. Das gilt es weiterzuführen.

 

Die von Ihnen angesprochene Forschungsförderung ist aber auch mit der Drittmitteleinwerbung verbunden. Ist da, von den aktuellen Zahlen ausgehend, noch Luft nach oben?

Gien: Wir haben deutliche Steigerungen an begutachteter Drittmitteleinwerbung. Wir sind bei einem Pro-Kopf-Schnitt von etwa 70 000 Euro (pro an der KU lehrendem Professor, d. Red.). Wenn man aber vergleichbare Universität nimmt, wäre eine Steigerung von wenigstens 30 Prozent nach oben wünschenswert, wobei es uns nicht nur um eine quantitative Steigerung geht, sondern um einen wahrnehmbaren Output und eine Kultur der Forschungsvielfalt.

 

Der von Kardinal Marx geforderte und von Ihrem Vorgänger Richard Schenk vorgelegte Entwicklungsplan der KU begleitet Sie seit Beginn Ihrer Interimszeit. Reicht denn mittlerweile die finanzielle Ausstattung der KU, um ihn komplett auszuführen?

Gien: Ich sehe den Entwicklungsplan auch als Zukunftsplan, der eine Perspektive von 10 bis 15 Jahren umfasst. Hier muss man nicht synchron, sondern diachron denken, sonst reichen die Mittel natürlich nicht aus. Unsere Kunst ist jetzt, aus einem additiven Plan ein Gesamtkonzept zu machen. Daher haben wir Maßnahmen aus dem Entwicklungsplan priorisiert und weiterentwickelt.

 

Stößt es denn auf Gegenliebe bei den Kollegen, wenn es darum geht, neue Strukturen aus diesem Plan einzuführen?

Gien: So pauschal kann man das nicht sagen. Es ist eine Frage der Kommunikation. Durch den Entwicklungsplan können Prozesse angestoßen werden, die viel Raum lassen. Da sehe ich auch die Aufgabe einer Hochschulleitung - egal in welchem Bereich: Es gilt, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zu schaffen, die Kollegen zusammenzubringen und optimale Bedingungen zu schaffen. Es würde nicht funktionieren, von außen etwas zu verordnen, das nicht aus der Mitte Universität entsteht.

 

Wo sehen Sie die Leuchttürme der Forschung an Ihrer Uni, die auch das so wichtige katholische Profil bedienen?

Gien: Wir haben forschungsstarke Felder in der Psychologie, in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung, Felder der Theologie und ethische Verantwortungsdiskurse (einschließlich Flucht und Migration) an beiden Standorten. Darüber hinaus gibt es starke Projekte im Bereich der "Humanities", daneben interdisziplinäre Projekte wie das zu Flucht und Migration, oder zu Lateinamerika. Es ist nun die Kunst, Profilfelder mit Schwerpunkten auch in die Breite zu entwickeln, gleichzeitig Individualforschung Raum zu geben und Exzellenz in einzelnen Bereichen aufzubauen. Einen besonderen Stellenwert nimmt gerade die Weiterentwicklung der Theologie ein.


Hier kniet man sich offenbar aber rein.

Gien: Die Theologie arbeitet gerade an der Entwicklung eines Forschungszentrums, die Vorarbeiten hierzu sind vielversprechend, so dass es bald zur Ausschreibung der vakanten Stellen kommen kann.

 

Sie wollen die KU als "Denkschmiede" entwickeln. Damit ist dann auch eine stärkere Wahrnehmung im politischen Diskurs verbunden.

Gien: Das ist im Moment das Problem. Das Hören unserer Stimme ist in vielen wichtigen Fragen stark zurückgegangen. Ziel ist es hier, Formate zu finden, bei denen man die Menschen zusammenbringt und insbesondere katholische Intellektuelle versammelt. Dazu ist das Netzwerk der katholischen Universitäten enorm wichtig. Wir werden auch nicht nur am Standort Eichstätt bleiben, obgleich das Ambiente hier hervorragende Rahmenbedingungen bietet, aber "sich öffnen" ist auch geografisch gemeint ...

 

Wo gehen Sie dann hin?

Gien: Berlin ist sicher eine Plattform. Aber auch Rom könnte eine Rolle spielen. Das sehe ich als wichtiges Instrument, auch für die Kirche. Die Deutsche Bischofskonferenz hat mit uns eine Plattform, die sie noch mehr nutzen kann.

 

Sie würden sich also mehr Engagement und mehr Wahrnehmung der gesamten Deutschen Bischofskonferenz wünschen?

Gien: Ja, ich wünsche mir, dass man uns und unser Potenzial wahrnimmt. Es gibt ja schon ein paar Projekte, etwa im Bereich Ehe und Familie oder bei Flüchtlingsfragen. Aber wir verstehen uns auch darüber hinaus mit unserer wissenschaftlichen Expertise als Dialogpartner.


Wie muss man sich eine Präsenz in Rom vorstellen?

Gien: In Rom gibt es ja einen Campus mehrerer katholischer Unis; der ist vor unserer Zeit entstanden. Aber wir haben die Einladung, uns auch dort zu präsentieren, die Unterkunft zu nutzen, die Hörsäle. Auch andere Standorte sind wichtig - als Dialogforen. Mit der Reihe "Laudato si'" waren wir gerade unterwegs in Berlin, um als KU sichtbar zu werden.

 

Darf man eigentlich wieder sein zeigen, an der KU zu arbeiten?

Gien: Man sollte sich glücklich schätzen: Die Rahmenbedingungen sind optimal. Wissenschaft zu betreiben unter anderem für gesellschaftlich relevante Fragen in einem natürlichen Netzwerk ist eine wunderbare Chance. Wir haben viele Kollegen, hinter deren Arbeit Zündkraft steckt, wenn sie zusammenkommen. Und zwar gemeinsam, nicht nur jeder in seinem Fach. Es hat sich in den letzten zwei Jahren schon gezeigt, dass dies eine große Chance ist.

 

Was muss Ihrer Ansicht nach als Erstes dringend geändert werden?

Gien: Ein wichtiger Punkt ist die Internationalisierung. Dabei geht es nicht darum, internationaler zu sein, sondern, eine noch globalere Perspektive auf viele Fragestellungen zu haben. Aber das ist ein langer Veränderungsprozess.

 

Es gibt aktuell auch Bestrebungen, mit einer Londoner Hochschule zu kooperieren. Steht da nicht der Brexit im Weg?

Gien: Das ist eine gute Chance, weil wir so den ein oder anderen Wissenschaftler gewinnen können, zu uns zu kommen - nicht nur über Austauschprogramme. Bis jetzt ist rechtlich noch nicht absehbar, wie es mit solchen Programmen weitergeht. Für uns wäre es schwierig, denn der englische Sprachraum ist wichtig für unsere Studiengänge und Partnerschaften.

 

In Ihrer Bewerbungsrede haben Sie auch die Regionalität betont.

Gien: Es geht darum, das Internationale mit dem Regionalen zu verbinden. Ich sehe uns da in der Funktion, dass wir für die Region eine wichtige innovative Keimzelle sind.

 

Ein wenig müssen Sie wohl auch darauf achten, die Standorte Eichstätt und Ingolstadt weiter zusammenzuführen.

Gien: Wir haben jetzt eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich genau mit dieser Frage beschäftigt. Da sind sechs Professorinnen und Professoren aus Ingolstadt und fünf Professoren samt Hochschulleitung aus Eichstätt vertreten. Hier soll ausgelotet werden, in welchem Bereich man zusammenarbeiten kann. Die Bereitschaft, sich hier noch einmal anders einzubringen, ist deutlich spürbar.

 

Wie läuft die Zusammenarbeit mit anderen Unis in Bayern?

Gien: Bei "Uni Bayern" fand ich große Unterstützung und ein hochaktives Netzwerk. Dort freut man sich, dass ein aktives Mitglied da ist. Ich bin auch in verschiedenen Arbeitsgruppen. Das ist ein Netzwerk, das ich auch schätzen gelernt habe.

 

Ihr Job ist recht zeitintensiv. Hätten Sie das so gedacht? Oder hat sich das jetzt erst gezeigt?

Gien: Dass diese Arbeit zeitintensiv ist, habe ich vermutet. Was ich nicht vermutet habe, ist, dass es so viel Multitasking erfordert, man viel parallel machen muss. An großen Unis gibt es für bestimmte Themen zehn oder 15 Mitarbeiter, die zuarbeiten. Hier muss man vieles noch selber machen. Wir führen viel mehr Gespräche, mit Kollegen, mit Verwaltung, als das je ein Präsident einer großen Uni tut. Dieser unmittelbare Kontakt hat einerseits Vorteile. Andererseits würde ich mir bisweilen wünschen, dass etwas mehr ,Denk-Zeit' bleibt, auch um Dinge zu entwickeln.

 

Aber Sie freuen sich auf Ihre weitere Arbeit hier?

Gien: Es ist eine hohe Verantwortung, dessen sind wir uns bewusst. Es ist viel Arbeit, aber grundsätzlich ist es eine Herausforderung, die ich optimistisch und mit Freude angehe.

 

Das Gespräch führte

Marco Schneider.