Virtuelle Netzwerke aufbauen

25.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr
In Wirklichkeit hält die berühmte Figur des heiligen Willibalds im Eichstätter Dom ein Buch in der rechten Hand. Damit ist er nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Sein Nachfolger Gregor Maria Hanke setzt verstärkt auf soziale Medien, um die christliche Botschaft zu verbreiten. Muss das Buch also bald durch ein Tablet ersetzt werden, wie auf dieser Fotomontage schon mal dargestellt? −Foto: Bartenschlager/Montage: DK

Eichstätt (DK) Die christlichen Kirchen befinden sich im Wandel. Die Zahl der regelmäßigen Gottesdienstbesucher nimmt stetig ab, die Zahl der Kirchenaustritte dagegen zu. Das Bistum Eichstätt bildet da keine Ausnahme. In dieser Situation setzt die Diözese auf neue Medien, um in Kontakt mit den Menschen zu bleiben – ein Trend, den sie ausbauen will.

In einigen Jahren würden die Christen hierzulande in einer Minderheitensituation sein, prognostizierte der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke bei einem Pontifikalgottesdienst in Rahmen der diesjährigen Willibaldswoche. Seine Strategie angesichts dieser Lage: „Netzwerke bilden.“ Diesen Satz habe Bischof Gregor bewusst auf die modernen sozialen Medien bezogen, sagt sein Pressesprecher Martin Swientek. Das Bistum setzt schon jetzt die unterschiedlichsten Medien, um auf allen Ebenen präsent zu sein. Zwar könne man nicht in die Zukunft blicken, betont Swientek, doch dass die Bildung von „Communities“, die kräftig netzwerken, erst am Anfang stehe, machte er deutlich.

Es ist gerade zehn Jahre her, dass das Bistum „online“ gegangen ist – auf Grundlage einer Zusammenarbeit mit der Katholischen Universität. Allgemein gab es in der katholischen Kirche damals keine durchgängigen Internetauftritte. „Eher versuchsweise, als unverbindlichen Test“, erinnert sich Swientek. Parallel zum Internetauftritt wurde 1997 erstmals ein „Diskussionsforum“ und ein Chat-Room freigeschaltet, um in Dialog mit den Leuten zu treten. „Das war alles sehr bescheiden und hat sich durch neue technische Möglichkeiten überholt“, so der Pressesprecher. „Chat-Rooms gibt es keine mehr.“ Dafür setzt das Bistum Twitter, Facebook und Youtube ein, und zwar sehr bewusst. „Twitter ist die schnelle Info-Weitergabe, zum Beispiel während Pressekonferenzen“, beginnt der Leiter der Stabsstelle Medien und Öffentlichkeit die Aufzählung. Dieses Instrument werde etwa eingesetzt, um personelle Veränderungen zu kommunizieren oder schnell mal zu erfahren, wer beim Weltjugendtag direkten Kontakt zum Papst hatte.

Facebook werde für aktuelle Informationen genutzt. Dieses soziale Medium diene oft dem „Smalltalk“. „Da kann sich die Kirche nicht heraushalten, aber wir dürfen nicht die Illusion haben, dass wir darüber den Katechismus vermitteln können.“ Tiefe Glaubensgespräche ließen sich nicht über Facebook transportieren, erklärt Swientek. Aber es sei ideal, wenn es darum gehe, etwas weiterzuentwickeln. Beispiele: „Kommst Du zum Pfarrfest? Hast Du einen Kuchen gebacken?“ Gerade durch diese niederschwelligen Themen bleibe die Kirche im Gespräch.

Natürlich stelle Facebook die Stabstelle auch vor Herausforderungen, die diesem Medium aufgrund seiner Schnelligkeit zu eigen sind, und die in Zukunft wachsen werden. „Auf Kommentare muss rasch reagiert werden“, weiß Swientek. „Wir reagieren spätestens innerhalb von Stunden.“ Manche Anfragen würden auch an die Fachleute weitergeleitet, sagt Swientek. Und dann ist da noch Youtube. „Über Bilder und Videos geben wir weiter, was über Text hinausgeht. Youtube ist weniger für Kommunikation gedacht, sondern als Ausspielkanal für Videos.“ Der Einsatz moderner sozialer Medien beginne die Kirche zu verändern, stellt der Pressesprecher fest. „Die Entwicklung steht erst am Anfang.“ Soziale Netzwerke auf niederschwelliger Ebene würden alltäglich. Vernetzte Kommunikation rund um die Uhr werde Alltagsgepflogenheit. Die Konsequenz: „Es bilden sich Gruppen, Communities.“ Die Kirche hat erkannt, dass sie nicht mehr jeden erreichen kann. „ Früher haben wir über die Zeitung, die Kirchenzeitung oder die Kanzel alle Interessenten erreicht“, sagt Swientek. Das funktioniere heute so nicht mehr. Die entstandene Lücke sollen die untereinander vernetzten „Communities“ schließen. Wie das künftig konkret funktionieren soll, schildert Swientek: „Wenn wir eine Aussage zu einem bestimmten Thema treffen, muss das in die sozialen Netzwerke rein. Und dann brauchen wir die Leute, die das weitergeben.“

Die Kirche baut auf engagierte Christen, auf ehrenamtlich in den kirchlichen Gemeinden tätige Leute, die sich auch in diesen Gruppen und Netzwerken wiederfinden. Ihnen will das Bistum eine elektronische Basis bieten. Als „Multiplikatoren“ sollten sie kirchliche Anliegen weitertragen. „Es ist der Auftrag für Christen sich zu engagieren, heute mehr denn je“, hebt der Pressesprecher heraus. „Ich muss versuchen, in der Gruppe etwas von meinem Glauben weiterzugeben.“ Wörtlich hatte Bischof Hanke in seiner Predigt zur Willibaldswoche gesagt: „Dieses Netzwerk entfaltet sich von unten her, von Frauen und Männern, die ihre Berufung aus Taufe und Firmung ergreifen, aus betenden, sich im Glauben und menschlich begegnenden Familien und Hauskirchen, aus kleinen geistlichen Weggemeinschaften und Zirkeln, aus Zellen in unseren Verbänden“.

Den Neuen Medien käme dabei eine tragende Rolle zu, findet Swientek. Die Kirche könne in einer Zeit, in der Nachrichten schnell, aber unkontrolliert fließen, Richtschnur sein und sich als seriöser und verlässlicher Ansprechpartner in den sozialen Netzwerken etablieren. „Was sagt der Bischof, was sagt die Diözese dazu – das wird mehr und mehr gefragt sein“, ist Swientek überzeugt. „Wir werden dazu in Zukunft Qualitäts-Standards setzen als Kontrollelement gegenüber der Gerüchteküche.“ Das sei die Herausforderung und Chance für die Zukunft gleichermaßen. Da kann Vizeoffizial und Kirchenrektor Dr. Alexander Pytlik im Prinzip nur zustimmen. Er hat viel Erfahrung im Umgang mit sozialen Medien. Seit 1999 betreibt er die Internetseite www.padre.at. Eingerichtet hat er sie nach seinem Einsatz als Militärseelsorger in den Jahren 1998/99 in Zypern. Das sei seinerzeit in der Kirche Neuland gewesen und klare Regeln habe es nicht gegeben.

Er habe sich die Sache in Internet-Cafés angeschaut und sich gesagt „Ich brauche einen PC, ich muss eine Seite aufmachen, ich muss präsent sein.“ Und da ein Militärpfarrer traditionell „Padre“ genannt wird, hieß seine Seite dann auch so. Er habe Predigten, Orientierungshilfen zum Glauben eingestellt oder auf Beschwerden reagiert, erzählt Pytlik. Es seien viele Glaubensfragen oder persönliche Lebensprobleme zur Sprache gekommen. „Das Tolle daran ist, du kannst viele Leute erreichen, die du sonst nicht erreichen kannst. Es hat mir imponiert, dass es keine Grenzen gibt, wenn man etwas im Sinn der Kirche erreichen will.“ Auch Pytlik sieht das Internet mit seinen Möglichkeiten als Chance, missionarisch tätig zu werden. Das sei dringend geboten: Die gesellschaftlich-moralische Verpflichtung, sich im kirchlichen Raum zu zeigen, nehme weiter ab. Andererseits sei der Gebrauch sozialer Medien weit verbreitet.

Der Erfolg sei an bestimmte Bedingungen geknüpft. „Es muss erkennbar sein, wer für die Kirche spricht.“ Je persönlicher, desto besser. In diesem Sinne werden das Papstamt und das Bischofsamt an Bedeutung noch zunehmen. Wichtig sei es ebenso, schnell zu reagieren, stimmt Pytlik dem Pressesprecher zu. Der Vizeoffizial sieht jedoch auch die Schattenseiten: „Die Vielfältigkeit in der Kommunikation nimmt zu. Nebensachen werden immer wichtiger. Wie kann man das Interesse an echten Inhalten wecken?“ Wobei sich Pytlik überzeugt zeigt, dass die Möglichkeiten an sich längst nicht ausgereizt seien. Er spricht zum Beispiel Twitter-Kanäle in türkischer oder arabischer Sprache an, die christliche Feiertage erklären könnten. Oder es könnte Informationen zur Taufe geben.

Der Umgang mit sozialen Medien birgt zahlreiche Fallstricke. Sie zu vermeiden, ist eine der Aufgaben der Medienzentrale der Diözese Eichstätt. „Kommunikation ist das Lebenselixier der Kirche“, bestätigt deren Leiter Dr. Thomas Henke. Er ist Herr über rund 5000 Medien. Viele von ihnen sind „analog“. Er hat noch 16-Millimeter-Filme und papierene Arbeitsblätter auf Lager. Verstärkt stellen er und sein Team jedoch Medien online zur Verfügung, damit sie Lehrer in den Unterricht einbauen können. Dazu wurde vor zwei Jahren ein eigenes web-basiertes Portal entwickelt. Henke beschäftigt sich intensiv mit Medienkompetenz und will die Fähigkeit von Nutzern stärken, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und Nachrichten einzuordnen – gerade bei Facebook, Twitter und Co. „Es ist nicht egal, wie die Kommunikations-Kultur bei uns aussieht“, findet Henke. Im Hintergrund sollte das christliche Menschenbild stehen, das sich um Schwache und Ausgegrenzte kümmert.

In diesem Sinne erschöpft sich das Schulungsangebot die Medienzentrale nicht im technischen Umgang mit sozialen Netzwerken. Erläutert werden Rechtsfragen, und dem Datenschutz ist breiter Raum gewidmet. Weiteres Element ist Quellenkritik. Vor allem geht es Henke darum, wie sich Neue Medien aktiv, kritisch und verantwortungsbewusst einsetzen lassen. „Medien sind an sich nicht gut oder schlecht. Jeder kann sie so oder so benutzen.“ Über Instagram oder andere Kanäle ließe sich schnell ein Foto posten. „Es ist aber nicht rückholbar“. Der Umgang mit den Neuen Medien sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Politik, Bildung, Schule, Eltern, Wirtschaft und die Kirchen müssen hier zusammenarbeiten.“ Beleidigungen, Shitstorms oder gar Mobbing gehörten inzwischen zum Alltag. Das sei aber nicht hinnehmbar, sagt Henke und sieht gerade hier die Kirchen in der Pflicht. „Was wir dagegen anzubieten haben, sind Bildung und Ethik.“