Kipfenberg
Vom Sommerfrischler zum Touristen

26.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

Die "Perle des Altmühltals": In Kipfenberg hat sehr früh bereits der Fremdenverkehr, später Tourismus, begonnen. Eine historische Postkarte von 1930 macht Werbung für den Ort, ebenso die Aufnahme der Burg Kipfenberg mit Kletterer am Schlossfelsen. - Fotos: Repro: Rieder/Biberger

Kipfenberg (DK) Der Tourismus in Kipfenberg hat schon ein gutes Jahrhundert auf dem Buckel. Fremdenverkehr hieß dies damals, als um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert die ersten Marken gesetzt wurden. Die Gemeinde, Ehrenamtliche und Gewerbetreibende erkannten die Möglichkeiten der "Perle des Altmühltals" und nutzten diese bis heute.

Mit einem kleinen Heftchen hat alles begonnen. Im Jahr 1905 hatte der Kipfenberger Oberforstmeister Schlosser mit seinen Forstarbeitern zahlreiche Spazierwege um Kipfenberg anlegen lassen und im gleichen Jahr ein Heftchen mit Karte und Wegbeschreibung für Gäste herausgegeben "Ein Führer für Fremde". Ausflüge in umgebende Dörfer sowie zur Arndthöhle in Attenzell und zum Felsentor in Unteremmendorf wurden empfohlen, für größere Touren die Städte Eichstätt, Beilngries, Riedenburg und Kelheim genannt. Zu der Zeit hatte der Ort Kipfenberg 766 Einwohner. Fremdenverkehr hieß dies damals noch. 1907 empfahl das Königliche Bezirksamt Eichstätt die Gründung eines Verschönerungsvereins für Kipfenberg - "im Interesse des in reizender landschaftlicher Umgebung liegenden Marktes", wie es hieß. Schlosser wurde noch im gleichen Jahr Vorsitzender eines Verschönerungsvereins mit 51 Mitgliedern. Erste Maßnahme war Planung und Bau eines Steiges mit Sicherungsgeländer vom Birktal durch das "Wildromantische Felsgebiet" auf das Plateau des Michelsberges. Zur Einweihung gab es ein Volksfest.

Die Medizin brachte schließlich eine neue Sommerfrischlerklientel". Ärzte hatten die These aufgestellt, dass Herzkranke nicht über 500 Meter über dem Meeresspiegel wandern sollten. Auch HNO-Arzt Plazotta aus Ingolstadt war ein Verfechter dieser These. Nach ihm ist der Plazotta-Steig zum Michelsberg benannt. "Damals wurden Nürnberger Herzkranke gezielt nach Kipfenberg zur Erholung geschickt", berichtet Günter Schwartz, ehemaliger Vereinsvorsitzender.

1908 gab es in fünf Gasthäusern 26, in Privatwohnungen 50 Betten zu vermieten. Die Preise dafür lagen zwischen 50 Pfennige und 1,20 Reichsmark je Nacht. Eine Wochenpension konnte man für zwischen 3,50 und 6 Reichsmark buchen. Im Jahr 1910 zählte alleine der Gasthof Post 1000 Übernachtungen. Insgesamt wurden 7000 Durchreisende vermerkt.

Eine besondere Attraktivität für Gäste und Einwohner gleichermaßen war die neu errichtete Badeanstalt an der Altmühl mit Umkleidekabinen für Frauen und Männer und einem Badewärter.

Erster und Zweiter Weltkrieg brachten einen Einbruch. Doch nach 1945 folgten die "goldenen Jahre". Schon 1948 stellte Bürgermeister Baltasar Krieglmeier den Antrag an den Eichstätter Landrat, an der Autobahnanschlussstelle Kindinger Berg eine Hinweistafel mit der Aufschrift "Kipfenberg - Perle des Altmühltals" anbringen zu lassen. Sechs bis acht Busse von "Ferienglück" oder "Globetrotter" brachten jede Woche Gäste bis aus Berlin nach Kipfenberg zum Marktplatz. Die Vermieter holten ihre Gäste ab und brachten sie wieder zurück. So manche Träne wurde beim Abschied vergossen. Gisela Ostermeier, geborene Kerl, erinnert sich an die Zeit: "Wir Kinder sind in den Keller umgezogen oder ins Zelt im Garten, damit die Gäste Platz hatten. Unsere Zimmer sind im Sommer vermietet worden. Die Gäste waren Teil der Familie, den Abend haben wir im Wohnzimmer mit ihnen gemeinsam verbracht." Familien kamen jahrelang bis zu vier Wochen lang zur Sommerfrische. "Wir warteten schon immer auf unsere Freunde, und wir Kinder durften an Ausflügen der Familien teilnehmen", berichtet Ostermeier. Es gibt Gäste, die in ihrer Kindheit in Kipfenberg zum Urlaub weilten und nun mit den eigenen Kindern kommen. Die Zahl der Übernachtungen betrug 1965 über 13 000, 1972 stieg diese auf 33 219 und schon 1977 wurden mehr als 60 000 Übernachtungen gemeldet.

Dabei beließen es die Kipfenberger nicht bei der Übernachtung und der Naturschönheit. Sie boten regelmäßige Unterhaltungsabende für die Gäste an. Der Fotograf Franz Schlegel begann in den 50er-Jahren, Lichtbildvorträge über attraktive Ziele in Kipfenberg und Umgebung sowie über die Burg Kipfenberg zu halten. Unter der Ägide von Dr. Betz wurden ab 1960 jede Woche Lichtbildvorträge im Aufenthalts- und Leseraum im Rathaus (heute Kasse) gehalten. Der Trachtenverein veranstaltete Heimatabende mit Musik und Tanzvorführungen. Es gab den "Hoagarten" mit Musik und Tanz im Gasthof Engel oder Blauer Hecht. Der unter dem neuen Namen "Fremden- und Verschönerungsverein" (FVV) firmierende Verein lud zum legendären "Bauernbüffet" mit bayerischen Spezialitäten ein: Bay'rische Schweinshax', Bratwürste, Presssack, Leber- und Blutwürste. Der "Hoagarten" war sozusagen "all inclusive", die Besucher zahlten eine Pauschale. "Auch damals gab's eine "Schlacht am Buffet", erinnert sich Hans Kerl, der mit seiner Frau Liselotte Gäste beherbergte.

Der Komfort allerdings ließ gegenüber heutigen Verhältnissen zu wünschen übrig. In den ersten Jahren war ein Waschbecken im Zimmer und ein Etagenbad noch Luxus. Umbauten mit Waschzellen in den Zimmern wurden erforderlich. Fred Weber war Vorstandsmitglied zu der Zeit: "Um den ständig steigenden Anforderungen der Gäste und touristischen Unternehmen gerecht zu werden, initiierte der Fremdenverkehrsverein eine Kategorisierung mit Sternen. Standards mussten angepasst werden, diese legte der Verein aufgrund einer Mess-Skala fest. Dies führte natürlich zu einigen Unstimmigkeiten mit den Mitgliedern." Später übernahm der Naturpark Altmühltal die Kategorisierung.

1967 gründete sich als Untergruppe des FVV der "Interessenverband zu Errichtung eines Schwimmbades in Kipfenberg" - mit Erfolg, wie wir heute wissen. In den 70er-Jahren entstand ein Trimm-dich-Pfad, ein Minigolf- und Camping-Platz. Paddeln auf der Altmühl und Tennisspielen wird in Prospekten beworben. Kipfenberg wird zum "Staatlich anerkannten Erholungsort". Ein Skilift am Pfahlbuck in der Pfahldorfer Straße wurde betrieben. Ein Loipenspurgerät für Skilangläufer angeschafft. 23 Wanderwege rund um Kipfenberg bis zu den Orten Irlahüll, Pfahldorf, Böhming, Schambach und Arnsberg gab es. Für Bürgermeister Haderer standen der Tourismus und ein schönes Kipfenberg an erster Stelle. "Damals fühlte sich die gesamte Bevölkerung für das Ortsbild verantwortlich", so Fred Weber.

1984 erreichte Kipfenberg erstmals die Traummarke von 100 000 Übernachtungen. Es kam zu einem Grundlagenvertrag zwischen Verein und Gemeinde, in dem unter anderem festgehalten wurde: "Der Fremdenverkehr im Bereich der Großgemeinde Kipfenberg hat in den vergangenen Jahren zu einer spürbaren Strukturverbesserung geführt, er bedarf daher der Standardisierung und konsequenten Förderung durch die politische Gemeinde." Bürgermeister Christian Weiß richtet das Fremdenverkehrsbüro ein: Die zentrale Zimmervermittlung, Veranstaltungsdienst, Werbung sowie alle Organisations- und Dienstleistungsarbeiten werden nun in der Gemeinde erledigt. Unter der Leitung von Günter Schwartz errichtet der FVV den hölzernen Limeswachtturm, das Wassertretbecken im Birktal und betreibt einen Fahrradverleih.

Mit der Öffnung der Ostgrenzen 1989 änderte sich der Tourismus in ganz Bayern. Langzeiturlauber wie die "Berliner Sommerfrischler" blieben plötzlich aus. Das Internet veränderte die touristische Bewerbung nachhaltig. 2002 kündigte Bürgermeister Rainer Richter den Grundlagenvertrag. Die touristische Entwicklung und Förderung liegt nunmehr komplett in gemeindlicher Hand. Von der gemeinsamen Werbung unter dem Dach des Naturparks Altmühltal profitiert auch Kipfenberg. Der Naturpark startet 2003 das Projekt "Altmühltal-Panoramaweg" mit Schlaufenwegen für Wanderer. Dies ist noch heute das touristische Highlight neben dem Altmühltal-Radweg und Bootswandern. Für Gäste bietet Kipfenberg eine thematische Ortsführung "Wo Goaßhenker und Fasenickl zu Hause sind", Kirchenführungen in Kipfenberg und Schambach, Historische Gruselführung und Kräuterwanderungen. Das Römer- und Bajuwaren-Museum organisiert jährlich ein Museumsfest und lädt zu Sonderausstellungen, Frühschoppen und kulturellen Veranstaltungen ein. Höhepunkte im Veranstaltungskalender der Gemeinde sind: der Fasching mit den Fasenickln, Osterbrunnen und Kunstausstellung, Konzerte, Fischerstechen, Limesfest, Lammabtrieb in Böhming, Theaterbühne Krone und der Weihnachtsmarkt.

Touristen kommen immer noch vor allem wegen der Natur und Landschaft und den Infrastruktureinrichtungen (Wanderwege, Radwege, Schwimmbad) nach Kipfenberg. 85 Prozent waren mit dem Freizeitangebot und gastronomischen Angebot sehr zufrieden, wie eine Umfrage der Vermieter zeigte. 720 Betten von gesamt 53 Betrieben beziehungsweise Privatvermietern stehen in Kipfenberg heute zur Verfügung. Die Übernachtungszahlen sind stabil bei rund 100 000 Übernachtungen und 50 000 Gästeankünften im Jahr. Laut Gästestatistik beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer immer noch 9,61 Tage je Gast, was ungewöhnlich hoch ist und zeigt, dass nach wie vor Erholung in Kipfenberg - der Perle des Altmühltals - gesucht wird.