Verständigung mit Händen, Füßen und Wörterbuch

01.12.2009 | Stand 03.12.2020, 4:27 Uhr

Kontaktfreudig und abenteuerlustig: Alessa Rolka (rechts) aus Kottingwörth verbringt ein halbes Jahr als Austauschschülerin in Japan. Die ersten Freundinnen hat sie schnell gefunden, mit Körpersprache und Wörterbuch klappt auch die Verständigung schon gut. - Foto: oh

Beilngries/Tokio (DK) Sechs Monate verbringt die 15-jährige Alessa Rolka aus Kottingwörth im Rahmen eines Schüleraustauschprogrammes in Japan. Ihre Erlebnisse mit der anderen Kultur und Lebensweise schildert sie den Lesern des DONAUKURIER in E-Mails.

Hier Auszüge aus ihren Erlebnisberichten: Hallo an alle Daheimgebliebenen oder besser gesagt "Konnichiwa". Mein Name ist Alessa, und ich bin gerade in Japan – einer elf Flugstunden entfernten Inselkette aus circa 6700 kleineren und größeren Inseln. Aus Deutschland waren wir insgesamt sieben deutsche Austauschschüler, sechs Mädchen und ein Junge, die übrigens alle größer und älter waren als ich.

Die erste Woche verbrachte ich im Yoyogi National Olympics Memorial Youth Center in Tokyo, das für die Olympischen Spiele im Jahre 1964 angelegt worden war, und das mittlerweile zu eine Art Bildungsstätte geworden ist. Hier sollten wir darauf vorbereitet werden, nicht in die größten Fettnäpfchen zu treten. Es gibt nämlich einiges, was man als Gaijin (Ausländer) wissen sollte. Denn Japan ist zwar eines der hoch entwickelten Länder der Welt, aber es herrscht hier eine strenge Etikette. Wir Gaijins werden sehr tolerant behandelt, ich möchte aber lieber nicht wissen, wie sie reagieren würden, wenn ich meine Nase im Falle einer Erkältung statt hochzuziehen (was in Japan als Zeichen der Selbstbeherrschung gilt) schnäuzen würde. Unter den Japanern völlig undenkbar!

Höhepunkt der Woche war die Tokyo-Sightseeing-Tour. Wir sahen den Meiji Schrein, die berühmte Heilige Stätte, wo sich die Grabstätte des Kaisers Meiji befindet. Außerdem sahen wir die Shoppingviertel. Zu Spitzenzeiten halten sich in Tokyo 20 Millionen Menschen auf. Und trotzdem wird man nicht angerempelt. Die gute alte Etikette kommt da zum Vorschein. Lieber stoppen und verbeugen, statt anrempeln. Zum Abschluss waren wir alle zusammen in einem japanischen Restaurant, und zum Essen kann ich nur sagen: Der Hammer! Hier schmeckt alles genial. Ich dachte ja, dass mir der Reis morgens, mittags und abends zum Hals raushängen würde, aber jetzt fehlt mir schon was, wenn kein Reis dabei ist. Auch das Essen mit Stäbchen ist kein Problem mehr.

Alle sind supernett

Nach der ersten Woche kamen wir zu unseren Gastfamilien, die in ganz Japan verteilt sind. Ich bin in Yamaguchi gelandet, zwei Flugstunden von Tokyo entfernt, was übersetzt so viel wie "Berg-Mund" heißt. Meine erste Familie besteht aus dem Familienvater, seiner Frau, Oma und Opa sowie einem Hund. Die drei Töchter sind schon erwachsen und ausgezogen. Alle sind supernett und nennen mich Ali-chan. Das Suffix "chan" ist eine Verniedlichungsform und wird meist gegenüber Kindern und guten Freunden benutzt. Vor allem wenn die Oma mit mir redet, und mit Reden meine ich ein wasserfallartiges Raussprudeln von Silben und Wörter, habe ich null Chance mitzukommen. Mein Gastvater kann ein bisschen Englisch, mit den anderen versuche ich mich mit Hand und Fuß und Wörterbuch zu verständigen. Aber es klappt immer besser, vor allem seit dem ich Hiragana kann. Hiragana besteht aus circa 50 Zeichen, und die müssen sich die Kinder schon im Kindergartenalter aneignen, denn bei der Einschulung müssen sie die Zeichen schon lesen können. Also bin ich sprachlich gesehen auf Kindergartenniveau.

Aber dafür überrage ich sie alle, was die Größe betrifft. Das ist eigentlich ein sehr schönes Gefühl, (wenn man von den Rückenschmerzen absieht, die ich ziemlich oft wegen der niedrigen Tische und Waschbecken habe).

Mittlerweile hat die Schule angefangen. Es gibt natürlich eine Schuluniform, die ich trage, und viele Regel, die für mich ungewohnt sind. Angefangen damit, dass man in der Schule drei Paar Schuhe hat, die man in unterschiedlichen Räumen benutzten muss. In der Schule sind, wie eigentlich alle Leute, die ich bis jetzt getroffen habe, alle total nett und sie versuchen trotz sprachlichen Barrieren sich mit mir zu unterhalten. Das Problem besteht darin, dass mein Japanisch sehr bescheiden und die Verständigung auf englisch auch sehr schwer ist.

Hier redet der Lehrer

Obwohl die Schule um einiges länger dauert als in Deutschland, und zwar von 9 bis 16 Uhr und samstags "nur" bis 13 Uhr, kommt es mir gar nicht so viel länger vor. Nach dem Unterricht putzen alle zusammen das Gebäude. Der Unterricht hier ist so ziemlich das Gegenteil zum Unterricht bei uns. Hier redet der Lehrer. Die Schüler nur ganz selten, und nur dann, wenn sie aufgerufen werden. Es ist in der ganzen Klasse unheimlich still. Beeindruckend ist das große Angebot an der Schule, was freiwillige Angebote am Nachmittag betrifft. Es sind viele "Bukatzus" – Clubs –, welche von Sportarten wie Tennis und Fußball, Kendo und Kjudo (japanische Bogenkunst) bis hin zu Sado (japanische Teezeremonie) und Kotto (japanisches Instrument) reichen. Die meisten Clubs werden jeden Tag angeboten, auch sonntags, wenn keine Schule ist. Ich als Gastschüler darf überall reinschnuppern.

Bis demnächst und Sayonara, Eure Alessa