Beilngries
Einblicke in die wahre Welt des Bösen

Die Autorenlesung mit Josef Wilfling zugunsten der Nepalhilfe findet großen Anklang

21.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr
Fesselnder Vortrag: Die Autorenlesung mit dem früheren Mordermittler Josef Wilfling zugunsten der Beilngrieser Nepalhilfe ist sehr gut angekommen. −Foto: Skrobanek

Beilngries (DK) "Es erwartet Sie ein Blick hinter die Kulissen - in die wahre Welt des Bösen." Diesen Blick hat Josef Wilfling mit seiner Autorenlesung am vergangenen Samstag im Haus des Gastes zugunsten der Nepalhilfe Beilngries ermöglicht. 22 Jahre klärte er bei der Mordkommission München Verbrechen auf, unter anderem den bekannten Moshammer-Fall. Dass die Ermittler in der Realität ganz anders arbeiten, als im Fernsehen, machte Wilfling gleich zu Beginn klar. "Die Realität ist wesentlich brutaler als die Fiktion", ließ der Autor den voll besetzten Saal wissen.

Doch Töten ist nicht gleich Töten: Man unterscheidet zwischen Totschlag und Mord. Ersteres seien meist Affekthandlungen. Beim Mord führe ein verwerfliches Motiv zur Tat. Habgier, Rache oder ein besonders grausames und heimtückisches Vorgehen können einen Täter für mindestens 15 Jahre hinter Gitter bringen. In Deutschland lebe man aber recht sicher, versicherte Wilfling seinem Publikum. Doch wie gehen die meisten Verbrecher vor? Das Messer sei die meistgenutzte Tötungswaffe, wobei hier auch schon ein kleines Tomatenmesser genüge. "Die Motive für einen Mord sind so alt wie die Menschheit, man denke nur an Kain und Abel. Allerdings unterscheiden sie sich in der Kultur", erläuterte der langjährige Ermittler. der inzwischen seinen Ruhestand genießt - und Bücher verfasst. "Die Zahl der Tötungsdelikte ist stark rückgängig, nicht allerdings die Anzahl an Gewaltdelikten. Grund hierfür ist unter anderem eine bessere Medizin. Es ist Wahnsinn, was die Unfallchirurgie wieder zusammenflickt."

Wilfling lobte außerdem besonders die Möglichkeit der DNA-Analyse und den "Kommissar Computer". Ein Mord an einer Prostituierten konnte beispielsweise auf diese Weise aufgeklärt werden. Die Frau wurde mit ihrem eigenen Negligé erdrosselt, ein Fingerabdruck auf einem Whiskeyglas in ihrer Wohnung konnte erst nach langer Zeit mit neuerer Technik zugeordnet werden. So wurde der Mörder schließlich überführt.

"Abschreckend wirkt nicht die Haftstrafe, die bei einem Gewaltdelikt droht. Die Aufklärungsquote von mittlerweile 95 Prozent ist entscheidend", überraschte der Autor die Zuhörer. Bedenklich findet Wilfling allerdings die Grauzonen und Dunkelziffern: "Auf einen entdeckten Mord kommt mindestens ein unentdeckter!" Grund dafür sei beispielsweise die Leichenschau, die jeder Hausarzt durchführen kann. So würde der Arzt die Leiche einer alten Dame, von der Herzprobleme bekannt waren und die friedlich im Bett liegt, nicht noch genauer nach möglichen Mordspuren überprüfen. Kinder seien leider einfache Opfer. Sie verhungern, werden erschlagen oder verbrüht - von nahestehenden Menschen. Dennoch gäbe es bis heute keinen konkreten Kinderschutz in der Verfassung, so der Autor.

Beziehungstaten würden am häufigsten geschehen. "Die meisten Morde werden von Ehemännern begangen", berichtete der ehemalige Polizist. Meist seien Eifersucht und Verlustängste die Motive. "Jedoch fristet die Mehrzahl der Gatten ihr Dasein mit Anstand und Würde", fügte Wilfling scherzend hinzu. "Männer töten, um zu behalten - Frauen, um loszuwerden."

Doch kann jeder Mensch zum Mörder werden? "Das radikale Böse ist auch in den Gutmenschen enthalten", zitierte der Ermittler den Philosophen Immanuel Kant. Zum Mörder entwickle man sich. Eine lange Vorgeschichte und ein innerer Kampf würden einem Mord vorausgehen. "Es liegt an der Hemmschwelle und dem Gewissen, wer zum Täter wird. Aber auch das Unrechtsbewusstsein spielt eine Rolle. Eine Mutter, die den Mörder ihres Kindes im Gerichtssaal erschießt, sieht sich im Recht."

Der Ermittler erklärte noch Einiges zu Gerichtsprozessen, bei denen in Deutschland die Fehlerquote sehr gering sei. "Am Ende bleibt immer die Verzweiflung, für Täter- und Opferfamilien, unabhängig vom Urteil", fügte er an. "Kein Mörder kann sich sicher sein, dass er nicht eines Tages doch erwischt wird!" Tosender Beifall erfüllte den Raum, bevor die faszinierten Zuhörer ihre Fragen stellten.