Dietfurt
Raus aus dem Haus: Spielen und lernen in der Natur

Auch Stadtspitze informiert sich über Konzept des Waldkindergartens – Elterninitiative plant weiter

21.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:57 Uhr

Spielplatz Natur: Mädchen und Buben fühlen sich im Waldkindergarten pudelwohl. - Foto: Hradetzky

Dietfurt (khr) Groß ist das Interesse am Informationsabend über einen Waldkindergarten in der Großgemeinde Dietfurt gewesen. Neben vielen Eltern waren der Einladung der Elterninitiative in die Kaminkehrerschule auch Vertreter der Stadt, allen voran Bürgermeisterin Carolin Braun (SPD) und ihre Stellvertreter Oliver Kuhn (CSU) und Bernd Mayr (FW) sowie Mitglieder des Stadtrats und der Kindergärten Dietfurt und Töging gefolgt.

Alexandra Grünauer, Mutter aus Mühlbach und Sprecherin der Elterninitiative Waldkindergarten, hatte die Federführung des Abends übernommen. Regina Obermeyer, die Gruppenleiterin des Waldkindergartens „Wurzelzwerge“ in Hemau, präsentierte das Konzept, so wie es dort seit sechs Jahren umgesetzt wird.

Wie Alltag in der Waldgruppe Hemau aussieht, ergab sich teilweise selbsterklärend über das aussagekräftige, vielfältige Bildmaterial. Dieses zeigte Obermeyers Schützlinge in Aktion, bei Festen im Jahr, bot Einblicke in Areal, Ausrüstung und Infrastruktur des Waldkindergartens. Zu sehen waren Kinder, „die sich glücklich und freudestrahlend draußen bei Wind und Wetter“ tummeln, nach dem Zwiebelschalenprinzip in allwettertauglicher, gegen Kälte, Regen und Wind sicher geschützter Kleidung tollen, manschen, Schnee schaufeln, am Lagerfeuer Suppe kochen oder ein imponierendes Schneckenhotel mit rund 70 Bewohnern bauen.

Die Besucher blickten auf stürmische Buben, die Räuberhöhlen aus Stöcken, Ästen und Blättern aufbauen, auf von Kinderhand gekochter Matschsuppe aus Erde, Stein- nicht Steinofen-Pizza, fantasievolle Schneeburgen, bemalt mit Lebensmittelfarbe oder Mädchen, die farbenfrohe Blumensträuße pflücken. Es waren Kinder, die schnitzen, in Wasserpfützen springen und aus den Materialien, die die Natur vorrätig hat, originelle Dinge basteln. Die Kinder erobern sich die Natur, verwenden die Materialien zu dem ausgedachten Zweck, müssen also geschickt eigene Ideen entwickeln.

Nichts ist vorgegeben. „Die Kinder vermissen ihr Spielzeug nicht, weil zum Beispiel ein Stock alles sein kann,“ versichert Obermeyer. Inhalte, die im normalen Regelkindergarten auf der Tagesordnung stehen, könnten im Wald spielerisch und auf einfache Art und Weise erlernt werden. Vorschulkinder übten die ersten Buchstaben mit Blättern. Sie schrieben mit Ästen Zahlen in den Schnee oder bastelten sich einen Rechenschieber aus Hölzchen. Auch Buntstifte, Bilderbücher und gewöhnliche Spiele stehen den Wurzelzwergen immer wieder zur Verfügung.

An verschmutzte Kleidung seien, so empfindet es die Gruppenleiterin, sowohl die Kinder als auch die Mütter gewöhnt. Mit der Naturtoilette haben sie sich auch arrangiert. Und hoher Besuch wie Ärzte, das Christkind oder der Nikolaus fände auch in den Wald zu Igel- und Fuchskindern der Wurzelzwerge.

Rituale, wie das Einfinden am Wetterbaum, der tägliche Morgenkreis seien wichtig, vor allem aber das freie Spielen. Sollte das Wetter mal überhaupt nicht mitmachen, haben die Kleinen in ihrer Schutzhütte einen kuscheligen Rückzugsort. Obermeyer selbst empfindet die Form des Waldkindergartens niemals als Konkurrenz zum Regelkindergarten, sondern vielmehr als Alternative, als Bereicherung. Die größten Vorteile eines Kindergartenalltags in der Natur sieht Regina Obermeyer vor allem darin, dass der Bewegungsdrang der Kinder befriedigt werde und dies in Zeiten, in denen Wahrnehmungsprobleme und Haltungsschäden an der Tagesordnung stehen.

Zudem förderten sämtliche Spiele und Angebote, die es im Wald gibt, die Kreativität und die Ideen der Kinder. Wenn die Kleinen nicht frieren wollen – gerade im Winter – müssten sie in Eigeninitiative aus ihrer unbequemen Situation heraus kommen und sich bewegen, sprich selbst ihres Glückes Schmid werden, was im späteren Leben auch wichtig sei. Sie lernen, dass man für sein Tun und Handeln Eigenverantwortung trage. „Wir wollen schlichtweg, dass die Kinder die Möglichkeit haben, sich auszuspielen.“ Ein Gegenangebot also zu dem wohltemperierten, eng getakteten und teilweise mit unendlich vielen wöchentlichen Aktivitäten aufgeladenen Kinderalltag?

Nach dem informativen Vortrag wurden Fragen zu Unfällen und Verletzungen beantwortet. Die Referentin Regina Obermeyer beschwichtigte hierbei. „Die Kinder haben so viel Platz und Raum, und dass sie nicht bis in die höchsten Bäume klettern, dafür tragen wir Sorge.“ Verletzungen stünden nicht auf der Tagesordnung, bei Gefahr wie Sturm gäbe es einen alternativen Raum in der Gemeinde.