Dietfurt
"Ein Teufelslicht in eisernen Röhren"

Vor 120 Jahren beginnt anfangs argwöhnisch beäugt die Elektrifizierung von Dietfurt

26.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Aus dem Jahr 1950 stammt dieser Generator, der im Dietfurter Mühlenmuseum bestaunt werden kann. Eigentümer Rudi Rengnath hält den betagten Maschinenpark am Laufen. - Foto: Erl

Dietfurt (DK) Vor 120 Jahren hat der elektrische Strom auch in Dietfurt seinen Siegeszug gestartet. Im örtlichen Mühlenmuseum lässt sich diese Episode der Technikgeschichte hautnah erforschen.

Rudi Rengnaths Reich ist das Mühlenmuseum gleich an der ruhig durch Dietfurt plätschernden Weißen Laber. Der Bach trieb über viele Jahrhunderte das Mühlrad an. Dort ist Rengnath nicht nur Herr über unzählige historische Maschinen und 53 Lederriemen, die immer noch die komplette Mühle in Gang setzen. Er ist in diesem lebenden Antiquariat der Nachfahre eines Revolutionärs, der vor 120 Jahren den Strom nach Dietfurt brachte.

Nur vier Generationen vor unserer heutigen digitalisierten Welt war Elektrizität für viele Bewohner des Altmühltals und der Jurahöhen jedoch kein lange erwarteter Segen, sondern erst mal ein fürchterliches Teufelszeug. Urahn Franz Rengnath war mit Josef Plank von der Hammermühle im Jahr 1895 zu einer Technikausstellung nach Budapest gefahren und dort hatten sich beide von den Möglichkeiten der neu entdeckten Elektrizität begeistern lassen. Als Besitzer der Dietfurter Mühle hatte Rengnath zwar alle Möglichkeiten, die Wasserkraft zur Stromerzeugung zu nutzen, doch diese Neuerung war in der Heimat umstritten.

Rudi Rengnath hat in seinem Mühlenmuseum den Aufsatz eines damaligen Schülers an eine Schautafel gepinnt, in denen der Bub die Erinnerungen wahrscheinlich seiner Eltern an diese erste Stromdiskussion in Dietfurt wiedergibt: "Der Großvater wird sich im Grab umdrehen, wenn wir dies ins Haus tun. Und die allergescheitesten Leute sagten, dass das Haus abbrennt, wenn so ein Teufelslicht in den eisernen Röhren gefangen wird. Jahrelang haben sie in Dietfurt hin und her gestritten, in der Zeitung, am Biertisch und am Hauseck."

Rengnaths Urahn hat die Dietfurter Ratsherren und Bürger am Ende aber doch von den Segnungen des elektrischen Stroms überzeugen können. Mit Zustimmung des Magistrats durfte er einen 110-Volt-Gleichstromdynamo an eines der fünf Wasserräder anschließen. Zunächst wurde eine Ringleitung aus Kupfer über den Dächern der Stadt errichtet und überall, wo ein Masten für diesen eingefangenen Blitz aufgestellt wurde, kam es dem Chronisten zufolge zu einem Volksauflauf.

Eine Stichleitung vom Rathaus zum Franziskanerkloster brachte im Jahr 1897 außerdem eine Premiere. Diese Stromleitung lieferte das erste elektrische Licht für ein Kloster in Bayern. Rengnath hat noch Skizzen und Pläne vom Verlauf dieser ersten Stromleitungen auf Dietfurter Stadtgebiet in seinem Museum. "Alles ist sich in den Armen gelegen und wenn die Dietfurter Kanonen gehabt hätten, hätten sie sicher ein paar Salutschüsse in die Nacht abgefeuert", schreibt der Schüler über das erstmalige Aufflammen der elektrischen Lampen im Juli 1897.

Bald schon ließen sich auch andere Bürger vom Nutzen dieser hellen Lampe überzeugen, die man sogar ohne Brandgefahr ins Heu stecken konnte. Auch Hainsberg erhielt von der Rengnathmühle bald danach den elektrischen Strom. Großvater Benedikt Rengnath übernahm im Jahr 1904 die Mühle, investierte sogleich in das kleine Elektrizitätswerk und kaufte gleich eine Batterie dazu. Mit deren Hilfe konnte Dietfurt zum Beispiel bei Wartungsarbeiten etwa drei Stunden mit Strom versorgt oder die Leistung bei Spitzenzeiten erhöht werden.

So konnte er die rund 1000 Einwohner, die Dietfurt im Jahr 1920 hatte, mit Strom beliefern. Die Versorgung mit Lichtstrom hatte in dieser alten Zeit und vor allem während des Ersten Weltkriegs oft auch eine ganz persönliche Komponente. So ließ Rengnaths Vorfahre in dieser Notzeit öfter mal das komplette Straßenlicht ausfallen, wenn ein Metzger ein Schwein zum Schwarzschlachten in die Stadt bringen wollte.

Die Stromkomponenten im Mühlenmuseum wirken auch heute noch wie eine Momentaufnahme aus der vergangenen Zeit, der älteste noch in Betrieb stehende Generator stammt aus dem Jahr 1950. Andere wichtige Stromerzeuger wurden während des Zweiten Weltkrieges konfisziert und abtransportiert. Bis ins Jahr 1950 wurde die gesamte Stadt mit Strom aus der Rengnathmühle versorgt, allerdings kam die Kraft dazu nicht mehr alleine aus der Weißen Laber. Die Mühle war mit einem Dampf- und einem Dieselmotor zur Stromerzeugung für den rasch wachsenden Bedarf nachgerüstet worden. Natürlich wird seit dem Jahr 1950 hier immer noch Strom erzeugt, aber der fließt längst ins überregionale Leitungsnetz.