Dietfurt
Die Zukunft als Teil der Gegenwart

28.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

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Dietfurt (DK) Der Dietfurter Modell- und Formenbaubetrieb Siebenwurst gibt sich traditionsbewusst und gleichzeitig zukunftsorientiert. Vor 119 Jahren von Leonhard Siebenwurst in Nürnberg gegründet, hat sich das Unternehmen, das bis zum heutigen Tag in Familienbesitz ist, zum zweitgrößten Betrieb dieser Branche entwickelt. Siebenwurst fertigt - im weitesten Sinne - die Werkzeuge, mit denen Autos gebaut werden. Kunden sind Premiumhersteller und Systemlieferanten. 410 Menschen arbeiten im Stammwerk im Altmühltal, weltweit sind es 800 in Deutschland, Polen, China, Russland, den USA und Mexiko.

Dass die McKinsey-Studie "Bayern 2025 - Alte Stärke, neuer Mut" derart schlechte Noten für die Wirtschaft vergeben hat, kann Geschäftsführer Christian Siebenwurst nicht nachvollziehen. "Ich sehe da lange nicht so schwarz", sagt er. Wer die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkenne und seinen Kunden zuhöre, sich auf neue Technologien und Entwicklungen einstelle, der werde auch künftig eine führende Rolle spielen, ist er sich sicher. "Die Prognosesicherheit, die bis zur Finanzkrise eine Vorhersage auf Basis der fortgeschrittenen Vergangenheit ermöglichte, gibt es nicht mehr", sagt der Nachfahre des Firmengründers. Was den Machern der McKinsey-Studie an den Firmen im Freistaat oft negativ aufgefallen ist - unzureichende unternehmerische Dynamik mit dem Hinweis auf die herausragenden Wirtschaftsdaten und niedrigen Arbeitslosenzahlen -, gelte für seine Firma nicht. "Von der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung werden 40 Prozent der Arbeitsplätze betroffen sein", hatte Johannes Elsner, Co-Autor der Studie, festgestellt.

Bei Siebenwurst gehört die Zukunft zur Gegenwart. Gerade in der Automobilindustrie würden die Anforderungen drastisch steigen. "Über eine rollierende Dreijahresplanung hinaus ist für uns der jährliche Strategiereview wichtig, in dem wir Chancen und Bedrohungsszenarien durchspielen, um ein Bild von den notwendigen Veränderungen in unserem Unternehmen in fünf bis zehn Jahren zu entwickeln", sagt Siebenwurst.

Heute sei der Leichtbau eines der Megathemen der Fahrzeugindustrie. "Auf diesem Gebiet sind wir schon seit über zehn Jahren proaktiv tätig." Ein Mitarbeiter sei abgestellt für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zum Aufbau von Fachwissen und zur Weiterentwicklung der Verfahrens- und Produktionstechnik mit Werkzeugen zur Verarbeitung von Carbonfasern, betont der Geschäftsführer.

Ein zweiter Anwendungsbereich ist laut Siebenwurst der Multimaterialmix. Das bedeutet, dass für jedes Bauteil mit seinen individuellen Anforderungen an Funktion und Festigkeit das optimale Material eingesetzt wird. "Da wir am Standort Zwickau die Blechumformung anbieten, können wir dem Kunden eine Verfahrenskombination offerieren, die es in dieser Form in der EU kaum gibt", erläutert Siebenwurst diese neue Technologie. Die Kombination von Blech-, Kunststoff- und Aluminiumdruckgussformteilen setze zum Beispiel Daimler für alle Baureihen ein. "Hier wird in einem Arbeitsgang im Werkzeug ein Aluminiumrohr unter Wasserinnendruck umgeformt und gleichzeitig mit Kunststoff umspritzt, um zusätzliche Funktionen zu integrieren", beschreibt Siebenwurst. Teile aus Blech und Druckguss, die vorher ins Werkzeug eingelegt werden, würden zu einem Bauteil zusammengefügt. "Wir arbeiten heute schon an Technologien, die 2025 im Fahrzeugbau eingesetzt werden", fasst er zusammen.

Siebenwurst sei einer der wenigen Werkzeugbauer, die mit den führenden Universitätsinstituten in Deutschland Zukunftstechnologien entwickeln. Ein Projekt zusammen mit der Technischen Hochschule Aachen ziele beispielsweise darauf ab, Werkzeuge intelligenter zu gestalten. "Es gibt in der EU keinen Werkzeugbauer, der mehr Forschungsvorhaben und Anwendungen mitentwickelt hat als wir. Auf diesem Gebiet bekommen wir regelmäßig Auszeichnungen."

Auch ohne den sprichwörtlichen Blick in die Glaskugel ist Siebenwurst klar, was wichtig ist, um bestehen zu können. "Kunde und Lieferant müssen immer enger zusammenarbeiten, um zukunfts- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Da sind wir noch ganz am Anfang", sagt er. "Gerade die intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist Voraussetzung, um den vollen Nutzen der Digitalisierung über die gesamte Prozesskette zu erzielen", ist sich Siebenwurst sicher.

Dass sich die Arbeitswelt durch zunehmende Digitalisierung drastisch verändern werde, ist ein weiteres Ergebnis der Studie. Viele vertraute Berufe würden sich ändern oder verschwinden, neue Arbeitsformen entstehen. Diese Einschätzung teilt auch Siebenwurst. "Das Interesse an beruflicher Weiterbildung ist gestiegen", hat er festgestellt, dennoch müsse ein Mitarbeiter seinen Beruf exzellent beherrschen, um die neuen Werkzeuge, die durch die Digitalisierung hinzukommen, effizient zu nutzen. "Wir arbeiten daran, Arbeitsinhalte deutlich zu verändern, um den Anforderungen der nächsten Generationen gerecht zu werden mit einem neuen Mix aus Arbeitsverdichtung und Arbeitsteilung mit flexibleren Arbeitszeitmodellen.