Beilngries
Schmuckstücke aus eigener Hand

Alicia Albrecht und Lisa Baierl entwerfen und fabrizieren Taschen

28.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr

Teamarbeit: Gemeinsam stecken Lisa Baierl (links) und Alicia Albrecht etliche freie Stunden in ihr kleines Unternehmen "taschengold". Sie designen Taschen und stellen diese von Hand her. - Foto: Wohlleben

Beilngries (DK) "Was ist aus Ihnen geworden" Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählen Beilngrieser, wie sich ihr Leben seit dem Schulabschluss entwickelt hat. Während Lucjan Slowiena das Besuchermanagement modernisiert, lassen Alicia Albrecht und Lisa Baierl ihrer Kreativität freien Lauf.

Geschafft lässt sich Alicia (19) in ihr Bett fallen. Neben ihr liegt ihre beste Freundin Lisa (19). Beide mit verkrampften Fingern, die mit Stoffmalfarbe überzogen sind. Sie schließen die Augen und schlafen sofort ein. Die Glocken draußen läuten, es ist 5 Uhr. Lisa und Alicia haben stundenlange Arbeit hinter sich. Eine Etage tiefer, im Atelier von Alicias Mutter, liegen vier Clutches-Handtaschen, vier Rucksäcke und fünf Strandtaschen. Alle von den beiden jungen Frauen entworfen und innerhalb der vergangenen Woche in Handarbeit hergestellt. Jetzt dürfen sie sich eine Stunde Schlaf erlauben. Denn vormittags kommen die Kunden aus Porto Cesario, Süditalien, und wollen die Taschen begutachten. Dann winkt womöglich ein Großauftrag - der erste für das Zwei-Frauen-Unternehmen mit dem Namen "taschengold", das Alicia Albrecht und Lisa Baierl nach ihrem Abitur vergangenes Jahr aufgebaut haben. Später stellt sich heraus: Ihre Nachtschicht hat sich gelohnt, den Gästen gefallen die Modelle. Die jungen Frauen bekommen den Auftrag, weitere 70 Stück zu produzieren.

Diese aufregenden Stunden liegen schon fünf Monate zurück. Die Freundinnen müssen immer noch lachen, wenn sie davon erzählen. Seither verbrachten sie viele Nächte in ihrem Arbeitszimmer, um den Auftrag rechtzeitig zu erfüllen. Alle anderen Bestellungen von Freunden, Bekannten und fremden Kunden über ihre Internetseite mussten abgelehnt werden. Denn eigentlich ist "taschengold" nur ein Hobby. Alicia studiert in Erlangen im zweiten Semester Chemie- und Bioingenieurwesen und ist zudem noch Bedienung in einem Restaurant. Lisa hat nach der Schule begonnen, in Früh- und Spätschichten am Band zu arbeiten. Ab dem nächsten Wintersemester will sie European-Economic-Studies in Bamberg studieren.

Inzwischen sitzen die beiden jungen Frauen schon wieder im Atelierraum. Sie wollen alle ausstehenden Aufträge der vergangenen Wochen nachholen. Aus den Lautsprechern ertönt ein Lied der Indiefolkrockband To Kill A King. Die Musikgruppe aus London ist eng mit der Gründung von "taschengold" verbunden. Als Lisa und Alicia 2015 ihren Abiturstreich planten, kamen sie irgendwann auf die Idee, ihre Lieblingsband dazu einzuladen. Sie wussten zwar, dass es sehr unwahrscheinlich war, die Musiker von einem Auftritt an ihrem Gymnasium in Beilngries überreden zu können, allerdings wollten sie es nicht unversucht lassen. Da Alicia und Lisa sehr kunstaffin sind - sie hatten sich unter anderem im Kunstadditum kennengelernt - beschlossen sie, Jutetaschen mit Sprüchen und Motiven der Band anzufertigen. Anschließend verpackten sie diese in einem "Bestechungspaket" und schickten es mit einer Einladung für den Abiturstreich nach England. Zwar gab es das Wunschkonzert nie, nur ein nettes Dankeschön-Schreiben, aber das Herstellen der Taschen hatte ihnen so viel Spaß gemacht, dass sie anfingen, für Freunde eigene Modelle zu produzieren.

Viel Zeit für die Arbeit bleibt an diesem Tag nicht mehr, Alicia muss zu ihrem Nebenjob und kellnern. Lisa erledigt noch letzte Handgriffe. Von den anderen Taschen, an denen in den vergangenen Stunden gearbeitet wurde, liegen inzwischen immer mehr Stoffe und Leder auf dem Boden verteilt.

Einige Tage später. Heute wird eingekauft. Dafür geht es nach Parsberg in einen Stoffladen. Mit leuchtenden Augen spazieren die beiden entlang der großen Lagerregale mit den unzähligen Stoffen, die angeschaut, gefühlt und beredet werden müssen. Mit einem Stoff sind sich beide unsicher. Alicia zückt ihr Handy und macht ein Foto des orientalischen Musters mit türkisfarbenem Grund, 23 Euro der Meter. "Das wird dann wohl unsere Luxuskollektion", kommentiert Lisa den Preis. Alicia schickt das Foto ihrer Mutter Carola, um sich eine Fachmeinung einzuholen.

Carola Albrecht greift den beiden oft unter die Arme. Die Kunstlehrerin mit einem Abschluss der deutschen Meisterschule für Mode stellt ihnen den Arbeits- und Lagerraum zur Verfügung. Sie zeigte ihnen alle wichtigen Techniken, die man braucht. Außerdem ist sie die Beraterin, wenn sich Lisa und Alicia unsicher sind. Diesmal bekommt der teure Stoff ein "Sieht schick aus". Er wird mitgenommen. Nach dem Einkauf stehen auf dem Kassenzettel 228 Euro für 15 Meter Stoffe und Kleinkram wie Stecknadeln. Vor allem in der Anfangszeit haben die beiden 19-Jährigen viel Erspartes in das Projekt gesteckt. Alle Anschaffungen wie die Druckerpresse oder die Nähmaschinen mussten sie selbst bezahlen.

Eine gute Nachricht kommt via Handy herein. "Die vom Tittinger Weihnachtsmarkt wollen uns als Stand haben", sagt Lisa Baierl zu ihrer Freundin. Damit ist der Terminkalender für die kommenden Monate schon wieder gefüllt. Alleine für die Weihnachtsmärkte rechnen beide mit 210 Taschen. Alicia gibt gleich ihrem Vater Bescheid. Der reagiert trocken: "Da arbeitet ihr nur wieder und zahlt drauf." Alicia lacht und sagt: "Nein, wir sind sogar ein bisschen im Plus."

Der Ansporn ist bei "taschengold" nicht das Geld, denn noch hält sich der Gewinn arg in Grenzen. Der Grund, warum sich die Zwei hinsetzen und bis früh morgens arbeiten, ist das Gefühl, wieder eine Tasche fertig zu haben. Es ist die Dankbarkeit in den Gesichtern der Kunden und die Freiheit, sich mit den eigenen Ideen im Stoffladen auszutoben. Außerdem haben sie es den Zweiflern bewiesen, die behauptet hatten, sie würden nicht länger als zwei Wochen durchhalten. Kunst studieren wollten Alicia und Lisa übrigens nicht. Sie brauchen die Abwechslung im Leben, ohne sich komplett auf die Kunst zu versteifen. Und sollte "taschengold" irgendwann tatsächlich einen großen Erfolg haben, ist ihr Traum nicht das Riesenunternehmen, sondern die kleine Boutique in der Seitenstraße.