Beilngries
"Wir haben das Schiff wieder auf Kurs gebracht"

Nach internen Querelen zu Beginn der Wahlperiode sieht SPD-Einzelkämpfer Rüdiger Stein die Partei auf einem guten Weg

19.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:17 Uhr

Überzeugter Sozialdemokrat: Bezahlbarer Wohnraum und Öffentlicher Personennahverkehr sind die Themen, die dem Beilngrieser SPD-Stadtrat Rüdiger Stein besonders am Herzen liegen. - Foto: Skrobanek

Beilngries (DK) Diese Entwicklung hatte Rüdiger Stein wohl nicht auf dem Schirm, als er vor drei Jahren in den Beilngrieser Stadtrat einzog: Nach parteiinternen Querelen ist er nun einzig verbliebener Mandatsträger der SPD. In dieser Funktion will er die Ortsgruppe bis zur Wahl möglichst stark positionieren.

Herr Stein, Sie sind vor drei Jahren neu in den Stadtrat gekommen. Seit dem Ausscheiden von Claudia Bach aus der SPD vertreten Sie die Partei nun alleine im Gremium. Wie fällt Ihr persönliches Fazit zur Halbzeit der Wahlperiode aus?

Rüdiger Stein: Ich kam zu der ganzen Geschichte ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde. Dementsprechend war das schon ein fulminanter Start. Im Stadtrat versuchen wir als SPD - vertreten durch meine Person -, uns produktiv einzusetzen.

 

Ihre Partei hat durch den internen Streit zu Beginn der Wahlperiode negative Schlagzeilen gemacht. Als Sie dann zum Vorsitzenden gewählt wurden, haben Sie angekündigt, dass die Partei wieder nach vorne blicken müsse. Wie sehen Sie die Beilngrieser SPD inzwischen aufgestellt?

Stein: Ich denke, dass wir mittlerweile wieder recht gut dastehen. Wir haben eine gute Truppe aufgestellt. Im Vorstand läuft es gut. Wir sind diversifiziert, haben Aktive jeden Alters und aus verschiedenen Ortsteilen. 2020 wollen wir wieder mindestens zwei Sitze im Gremium haben. Im Großen und Ganzen haben wir das Schiff wieder auf Kurs gebracht - nicht ich alleine, sondern wir als Team.

 

Im Stadtrat sind Sie aber ein Einzelkämpfer. Wie groß sind Ihre Einflussmöglichkeiten?

Stein: Eine Abstimmung kann ich natürlich nicht allein entscheiden. Durch die Kooperation mit den Kollegen und dadurch, dass ich - so denke ich - grundsätzlich ernst genommen werde, kann man Dinge schon in Vorberatungen mit den Fraktionssprechern oder dem Bürgermeister ansprechen. Das trifft nicht immer auf Einverständnis. Aber wenn ich mich zurückerinnere, gab es in den vergangenen Jahren durchaus einige Vorschläge von mir, die positiv beschieden wurden.

 

Es wurde ja jüngst der Vorwurf des Fraktionssprechers der Bürgerliste laut, dass er den Eindruck habe, Vorschläge seiner Fraktion würden nicht so aufgenommen wie diejenigen der CSU. Sie fühlen sich also schon ausreichend gehört?

Stein: Grundsätzlich ja. Es gibt natürlich Themen, da ist es egal, was für Vorschläge kommen - das wird dann nicht so gemacht. Die Entscheidungen treffen letztendlich andere. Aber ich denke schon, dass meine Meinung gehört wird.

 

Dann lassen Sie uns doch auf einige konkrete Themen der ersten drei Jahre blicken. Viele Diskussionen gibt es um das Thema Wohnraum und Bauen. Wie ist Ihre Position zu den aktuellen Entwicklungen in Beilngries?

Stein: Wir brauchen mehr Wohnraum und haben einen kaputten Markt. Das ist seit Jahren so und entwickelt sich nicht zum Besseren. Da sollte man vielleicht tatsächlich wieder verstärkt über einen Einstieg in den städtischen Wohnungsbau nachdenken.

 

Um günstigere Wohnungen zu haben, die sich auch Einheimische leisten können, die nicht Manager bei Audi sind?

Stein: Das ist genau der Punkt. Ich sehe natürlich schon die Ausweichmöglichkeit auf die Dörfer. Wir müssen uns aber auch überlegen, ob wir immer noch stärkere Pendlerströme möchten. Das ist auch eine Marotte in Deutschland, insbesondere in der Kommunalpolitik, dass man sehr stark in Asphalt und Stahlbeton denkt. Ob das immer zielführend ist, ist die Frage. Wir müssen schauen, dass wir den Einheimischen, die vielleicht sogar vor Ort arbeiten, die Möglichkeit geben, sich halbwegs günstig Wohnraum zu beschaffen.

 

Die Stadt sollte also in den Wohnungsbau investieren, um die Preisgestaltung selbst in der Hand zu haben?

Stein: Ich erkenne schon die Mühen, die damit verbunden sind. Die Stadt müsste dann wieder als Vermieterin auftreten. Momentan sehe ich aber kaum andere Möglichkeiten.

 

Ein anderer Punkt, der jüngst wieder hitzig diskutiert wurde, bezieht sich auf die Frage, ob die Stadt die vielen großen Neubauten verträgt. Verliert Beilngries sein Gesicht?

Stein: Ja und nein. Ich kann grundsätzlich die Leute verstehen, die sagen: Es verändert sich etwas. Dass das für viele Leute nicht so einfach ist, verstehe ich auch. Heimat ist nach Hause kommen und wissen, wie es aussieht. Momentan sind die Veränderungen vermutlich massiver als in den Jahrzehnten davor, das kann ich nicht beurteilen, da ich nicht von hier bin. Wir müssen einen Mittelweg finden. Niemand von uns möchte mehr im 19. Jahrhundert leben. Es muss nach vorne gehen, eine gewisse Modernisierung finde ich in Ordnung. Die Aufregung um Flachdächer kann ich daher auch nicht so ganz nachvollziehen. Es ist nicht unsere Aufgabe als Stadtrat, zu beurteilen, was schön ist und was nicht. Es muss sich halt in das Landschaftsbild einpassen. Und wir müssen Wohnraum schaffen. Die Frage ist, in welchen Dimensionen. Da muss man schauen, dass die Stadt etwas den Deckel draufhält.

 

Ein weiteres Thema, das die Beilngrieser seit Jahrzehnten bewegt: die Umgehungsstraße. Jetzt wird sie gebaut. Wie ist Ihre Position dazu?

Stein: Karl Valentin würde sagen: Die Begeisterung wollte keinen so rechten Anfang nehmen. Nein, Spaß beiseite. Ich bin kein Gegner des Projekts. Ich gebe aber zu bedenken, dass die Umgehungsstraße nur ein Teil eines Mobilitätskonzeptes sein kann. Wir haben das Problem, dass wir uns gerne eine autogerechte Umwelt bauen. Wir sollten aber lieber umweltgerechte Autos bauen. Ich sehe die Umgehungsstraße zunächst einfach als eine Straße. Sie ist nicht weniger als das, aber auch nicht mehr. Der erste Bauabschnitt wird eher geringe Entlastungen bringen und selbst mit Bauabschnitt zwei werden wir den Verkehr nicht aus der Stadt herausbringen.

 

Eine konkrete Hilfe kann der erste Bauabschnitt aber durchaus für die Bürger der Sandsiedlung bringen, wenn die Gymnasiumsbusse verlagert werden.

Stein: Definitiv. Wie gesagt, ich bin auch kein Gegner des Projektes, ich sehe schon gewisse positive Effekte. Aber mir fehlt der zweite Aspekt, und da müssen wir eine Schippe drauflegen - Stichpunkt Öffentlicher Personennahverkehr. Insbesondere die Anbindung nach Kinding. Das ist ja ein Treppenwitz der Geschichte, dass man hier an der neu ausgebauten Verbindung zwischen Nürnberg und München sitzt, aber wir kommen nicht nach Kinding zum Bahnhof.

 

Sie wollen also nicht nur die Fahrzeuge verlagern, sondern dafür sorgen, dass es weniger Fahrzeuge werden.

Stein: Exakt. Und da müsste man vielleicht auch die Fahrradmobilität ausbauen. Dafür wären wir ja prädestiniert. Wir haben Fahrradtouristen und wir haben Platz auf dem Land. Warum also nicht auch mal über die Privilegierung von Fahrradstreifen nachdenken? Wir haben jetzt E-Bikes. Man könnte da einen Teil des Individualverkehrs über eine gesteigerte Attraktivität verlagern.

 

Viele Diskussionen gab es in jüngerer Vergangenheit zum Thema Kinderbetreuung. Die Stadt baut einen neuen Kindergarten im Sulzpark, was im Gremium umstritten war. Die Bürgerliste kritisiert nach wie vor die Standortwahl. Tragen Sie diese mit?

Stein: Ich habe damals für den Standort Sulzpark gestimmt, und das mit Überzeugung. Im Gegensatz zur Bürgerliste hätte ich den Standort an der Grundschule für keine gute Alternative gehalten. Da sind jetzt schon quasi drei Schulen unter einem Dach. Je mehr Leute auf engem Raum zusammen sind, desto mehr evoziert das Stress. Die ganz Kleinen brauchen eine Ruhezone. Die Standortwahl im Sulzpark - zentrums- und wohnortnah - ist sicher keine schlechte. Beim Bau müssen wir jetzt aufpassen, dass sich das Ganze in den Sulzpark einfügt.

 

Wenn Sie als Lehrer dem Bürgermeister jetzt ein Zeugnis ausstellen dürften: Wie würde das nach den ersten drei Jahren ausfallen?

Stein: Es gibt unterschiedliche Meinungen und das ist auch in Ordnung. Wir teilen aber auch viele Standpunkte. Er hat mit Sicherheit einiges richtig gemacht. Ich schiebe da nicht die Umgehungsstraße nach vorne. Was ich gut fand, war sein Voranschreiten in der Flüchtlingspolitik. Da hat er Standpunkte vertreten, die sicher nicht jedem gefallen haben, der ihn gewählt hat. Das war sehr zielführend. Wir stehen nicht umsonst so gut da in der Flüchtlingsthematik, bis auf kleinere Reibereien scheint es gut zu laufen.

 

Das klingt alles sehr positiv. Welche Dinge gehen Ihnen gegen den Strich?

Stein: Gegen den Strich gehen ist jetzt sehr negativ formuliert. Wenn ich könnte, dann würde ich bei den angesprochenen Punkten ÖPNV und soziales, gerechtes Wohnen etwas tun. Wir haben ein relativ großes Wachstum und müssen schauen, dass wir dieses Wachstum sinnvoll moderieren.

 

Das sind folglich auch die Themen, die Sie in den nächsten drei Jahren einbringen wollen?

Stein: Ja, definitiv.

 

Damit soll dann das bereits angesprochene Ziel erreicht werden, dass Sie nach der nächsten Wahl nicht mehr alleine für die SPD im Stadtrat sitzen. Gibt es in Ihrer Partei Leute, die sich einbringen möchten?

Stein: Ja. Wir arbeiten daran und ich bin guten Mutes, dass uns das gelingen wird.

 

Und Sie sind nicht so weit, dass Sie sagen: Oh Gott, was habe ich mir da aufgehalst?

Stein: Natürlich ist es, wenn man alleine ist, eine erhebliche Belastung. Man sollte dann auf allen Hochzeiten tanzen, was nicht geht, wenn man wie ich einen Beruf und kleine Kinder zu Hause hat. Ohne meine Gattin könnte ich das ohnehin nicht machen. Es wird aber wohl schon so sein, dass ich politisch weitermache. Ich bin der letzte verbliebene SPD-Stadtrat. Das erachte ich als Verpflichtung an meine Person, auf der nächsten Liste wieder drauf zu stehen. Ich bin ein politischer Mensch. Ich mache es, solange es gewünscht wird und ich etwas Sinnvolles beitragen kann. Die Politik ist aber nicht meine Lebensaufgabe.

 

Die Beilngrieser SPD war ja sehr lange mit dem Gesicht der damaligen Vorsitzenden Claudia Bach verbunden. Sie stehen jetzt vor der Aufgabe, die Beilngrieser Ortsgruppe ein Stück weit neu zu erfinden. Wie wollen Sie das angehen?

Stein: Das ist ohnehin problematisch, wenn nur eine Person für eine Partei steht. Darum versuche ich jetzt, Strukturen zu schaffen, bei denen verschiedene Köpfe die Partei repräsentieren. Es soll nicht wieder der Fall eintreten, dass eine Person für die SPD steht. Ich bin nicht die SPD, ich bin einer von der SPD.

 

Eine persönliche Frage zum Schluss: Haben Sie Ambitionen, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren?

Stein: Ich bin inzwischen schon von mehreren Personen darauf angesprochen worden. Das wird aber für die nächste Wahl kein Thema sein. Ich könnte das aus beruflichen und familiären Gründen derzeit nicht leisten. Ich schließe es nicht aus, dass wir als SPD einen Bürgermeisterkandidaten aufstellen, ich fände das sogar wünschenswert. Aber ich werde es nicht sein.

 

Das Gespräch führte

Fabian Rieger.