Neuburg
Pflegeheime wollen Bewegungsfreiheit für Bewohner

Aber im Falle eines Sturzes stellt sich die Haftungsfrage Krankenkassen verlangen Kostenbeteiligung

30.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr

Spaziergänge wie hier in der Geriatrie bereichern den Alltag. Schwierig wird es, wenn Senioren wegen Sturzgefahr fixiert werden sollen. - Foto: r

Neuburg (r) Über 1100 Senioren betreuen die elf Altenpflegeheime im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Nahezu alle Einrichtungen setzen dabei auf den sogenannten "Werdenfelser Weg". So bezeichnet die Fachwelt die Leitlinie im Betreuungsrecht, Senioren im Heim nicht zu "fixieren", sondern dieses Mittel nur in extremen Fällen anzuwenden.

Die Betonung der Freiheit des Einzelnen auch im Heimalltag sei nach drei Jahren Praxis "im Landkreis angekommen", urteilt Christian Kutz, Seniorenreferent im Landratsamt. Bei einer Fachtagung gestern in der Geriatrieklinik bestätigten Heimvertreter diese Erfahrung. "Wir gehen den Werdenfelser Weg, ohne dass Stürze und andere Zwischenfälle bei uns zugenommen haben", berichtet Astrid Schneider, Leiterin des Neuburger BRK-Seniorenheims. Ähnliche Erfahrungen hat auch Verwaltungschef Christian Zinsmeister im Pflegeheim St. Augustin gemacht.

Allerdings sei es nicht immer leicht, die Angehörigen für die freiheitliche Methode zu gewinnen. Kommt es dann tatsächlich zu einem Sturz mit Knochenbruch, verlangen die Krankenkassen - die dann die notwendige Behandlung finanzieren - sofort einen Unfallbericht.

Die Kassen fordern in der Regel eine Kostenbeteiligung der Heime. "Sie werden es weiterhin versuchen, solange es keine verbindliche Rechtslage gibt", so Christian Kutz. Möglicherweise gebe es bald eine gerichtliche Klärung mit Urteil. Die Pflegeheime im Landkreis beteiligen sich bisher mit einvernehmlichen Vergleichen an den Kosten.

Gurte anlegen, Vorsatztische aufstellen, Bett-Gitter hochziehen oder nicht? Die Entscheidung treffen die Pflegekräfte nach Individualfall. Bei hochdementen Bewohnern würde sie nicht zögern, die Sicherung vorzunehmen, sagte Amtsgerichtsdirektorin Dorothea Deneke-Stoll.

Auch Betreuungsrichter Georg Berger sieht einen "Zielkonflikt" der Pflegenden, einerseits ihren Schützlingen viel Bewegungsfreiheit zu belassen und gleichzeitig Oberschenkelhalsbrüche und andere Unbill zu vermeiden. Das gelte auch für den Einsatz von Medikamenten zur Ruhigstellung von Patienten.