Trumps Triumph

Kommentar

09.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:04 Uhr

Das demokratische System funktioniert. Es hat Donald Trump eindrucksvoll widerlegt, der schon für den Fall einer Niederlage vorgebaut und mit einer Nichtanerkennung des Wahlergebnisses kokettiert hatte. Weil man "denen" in Washington ja alles zutrauen müsse, auch eine Manipulation der Wahl.

Doch der Plan B bleibt in der Schublade, denn nun ist der schrille Immobilientycoon und krasse Außenseiter wirklich der nächste US-Präsident und damit der mächtigste Mann der Welt.

Er hat die Präsidentschaftswahl nicht nur gewonnen, weil er skrupelloser und aggressiver agierte als seine Kontrahentin. Er hatte einfach mehr zu bieten als die glatt gebügelte Hillary Clinton mit ihrem schalen "Weiter so". Ihr stärkstes Argument war ja, sie zu wählen, um Donald Trump zu verhindern. Aber das reichte nicht. Nicht gegen einen genialen Selbstdarsteller, der die "andere Seite" Amerikas für sich entdeckt hatte, die Welt der abgehängten und frustrierten - überwiegend weißen - Mittel- und Unterschicht, die von Washington aus gesehen wie ein fernes Universum anmutet.

Es mag wie ein Witz klingen, dass ausgerechnet ein Milliardär den amerikanischen Wutbürgern weismachen kann, er sei einer von ihnen. Aber Donald Trump hat dieses Kunststück geschafft. Er hat ihnen versprochen, alles anders zu machen. Ein wenig erinnert das an den grandiosen Wahlsieg Barack Obamas vor acht Jahren, der der Nation "Change", also Wandel, versprochen hatte nach der düsteren Bush-Epoche mit ihren Kriegen und der großen Finanzkrise. "Yes, we can", hatte Obama optimistisch angekündigt - und viele Hoffnungen nicht erfüllen können.

Trumps Version - "Make America great again" - klingt wie die aggressive Kehrseite des Obama-Versprechens. Sie ist rückwärtsgewandt, glorifiziert die angeblich heile Welt der Nachkriegszeit. Und sie hat nichts Verbindendes, sondern schließt aus - Frauen, Minderheiten, Zuwanderer, Moslems, auch das Ausland, soweit es nicht US-Interessen dient. Diese Wagenburg-Mentalität ist keine amerikanische Erfindung. Sie steckt ebenso in der britischen Brexit-Entscheidung, die die internationalen Politik- und Wirtschaftseliten ähnlich unvorbereitet getroffen hat wie jetzt der Ausgang der US-Wahl. Sie bildet die Basis für den Erfolg Marie le Pens in Frankreich, den Aufstieg der AfD in Deutschland oder auch die Politik Viktor Orbans in Ungarn.

Man kann, nein, man muss diese Renaissance des aggressiven Nationalismus, des Mauernbauens, der Abgrenzung und Vorurteile für gefährlich halten. Aber es hilft nichts, die Augen vor dem Problem zu verschließen und damit in die gleiche Falle zu laufen wie die Demokraten und im Endeffekt auch die Republikaner in den USA: Globalisierung und digitaler Fortschritt haben vielleicht weltweit gesehen vielen Menschen zu Wohlstandsgewinnen verholfen. In den Industriestaaten aber ist eine sehr große Gruppe auf der Strecke geblieben. Sei es wie in den abgehängten Kohle- und Stahlregionen der USA ganz real. Oder wie in Deutschland mit seinem ausgeprägten Sozialsystem mehr gefühlt.

Die Politik auch in den europäischen Hauptstädten hat bisher keine Antworten auf die drängenden Fragen dieser Menschen gefunden. Schlimmer noch: Sie hat den Kontakt zu ihnen verloren - eine brandgefährliche Entwicklung für eine Demokratie.

Mit Donald Trump ist nun das Sprachrohr der Fortschrittsverlierer an die zentrale Schaltstelle der Macht gekommen. Das ist das Ergebnis einer (trotz des erbärmlichen Wahlkampfs) demokratischen Wahl und nicht der Weltuntergang. Es wird nun spannend sein zu sehen, welche Antworten Donald Trump seinen Wählern geben kann. Und man muss hoffen, dass das demokratische System der USA stark genug ist, dem bekennenden Egomanen seine Grenzen aufzuzeigen.