Neuburg
Gewaltexzess mit vielen Fragezeichen

Drei Neuburger sollen im Sommer einen jungen Afghanen verprügelt haben Prozess wird fortgesetzt

25.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:45 Uhr

Beliebter Treffpunkt: In der Honigbucht spielte sich im Sommer ein Gewaltexzess ab, der nun die Justiz beschäftigt. Archivfoto: Janda

Neuburg (DK) Haben sie einen Asylbewerber krankenhausreif geprügelt oder nicht? Diese Frage beschäftigt derzeit das Neuburger Schöffengericht, vor dem sich seit gestern drei junge Männer wegen einer Attacke auf einen 17 Jahre alten Flüchtling verantworten müssen. Der erste Prozesstag bot jedoch neben der Aussage einer Vielzahl an Beteiligten vor allem eines: zahlreiche Widersprüche.

Was genau ist am 15. Juli des vergangenen Jahres in der Honigbucht passiert? Wer hat den Streit provoziert und wer den ersten Schlag ausgeführt? Welche Rolle spielte dabei ein Messer? Und was hat eine junge Frau, die der Männerwelt offenbar recht zugetan ist, mit alldem zu tun? Diese Fragen und viele weitere beschäftigten Richterin Celina Nappenbach allein gestern sechs Stunden lang. Beantworten lassen sich bislang aber nur wenige - auch weil Angeklagte und Zeugen nur bedingt zur Klärung des Falles beitrugen. Immerhin: Der unmittelbar nach der Tat im Raum stehende Vorwurf eines fremdenfeindlichen Hintergrunds erhärtete sich am ersten Prozesstag nicht. Hinter dem Geschehen selbst stehen allerdings überwiegend Fragezeichen.

Als sicher gilt nach den bisherigen Schilderungen der Angeklagten, des Geschädigten und der Zeugen lediglich, dass es am Abend des 15. Juli zu einer Auseinandersetzung an der Honigbucht gekommen ist. In deren Verlauf erlitt der junge Afghane schwere Verletzungen durch Faustschläge und mindestens einen Fußtritt, die Rede war von mehreren Frakturen im Gesicht und beschädigten Zähnen. Erst zwei Wochen nach dem Vorfall durfte der 17-Jährige das Krankenhaus in Augsburg wieder verlassen. Schmerzen hingegen habe er zum Teil bis heute, erklärte er gestern.

Wieso die drei Angeklagten - alle zwischen 22 und 25 Jahre alt - auf ihn losgingen, konnte sich der Geschädigte indes nicht erklären. Er habe lediglich eine Geburtstagsfeier besuchen wollen, berichtete er über seinen Übersetzer - eine Version, die im Laufe der Verhandlung immer wieder mal zu hören war. Von der Party oder der Einladung wollten die drei Neuburger jedoch partout nichts wissen. Sie - und auch mehrere Zeugen - berichteten von einer jungen Frau, nach welcher der Asylbewerber am fraglichen Abend gesucht habe. Dass mindestens einer aus der Gruppe die Neuburgerin, die durchaus einen fraglichen Ruf zu genießen scheint, als "Schlampe" bezeichnet haben soll, brachte nach ihrer Schilderung den Afghanen in Rage. Oder wie es einer der Angeklagten ausdrückte: "Die Situation ist eskaliert."

Doch über den genauen Ablauf der Auseinandersetzung gab es gestern mindestens so viele Versionen wie Zeugenaussagen. Zum Teil widersprachen sich diese sogar deutlich, auch frappierende Unterschiede zu den Vernehmungen bei der Kriminalpolizei waren festzustellen, was wohl auch mit dem damaligen Alkoholpegel einiger Beteiligter zu tun hatte. Einer der Angeklagten sprach von etwa zwölf Bier, die er an diesem Abend konsumierte, bei einem anderen waren es mindestens zehn bis elf. Einzig der dritte mutmaßliche Täter, der sich obendrein wegen Rauschgiftkonsums verantworten muss, war eigenen Worten zufolge völlig nüchtern.

Zweifel gab es dennoch zuhauf: Warum sich der junge Asylbewerber, der als unbegleiteter Flüchtling in einer Unterkunft für Minderjährige in Neuburg lebt, ausgerechnet den größten der drei Angeklagten als Ziel seiner Aggression ausgesucht haben soll, erschien nicht nur der Richterin fraglich. Immerhin saß auf der Anklagebank ein groß gewachsener und kräftiger junger Mann, der junge Afghane ist im Vergleich eher schmächtig. Doch auch die Aussage des Geschädigten bot Staatsanwältin Franziska Lichtenauer zufolge "teilweise widersprüchliche Angaben" - vor allem im Vergleich zur Vernehmung bei der Augsburger Kripo. Ob das mit dem dortigen Dolmetscher zu tun haben könnte, was der Nebenklagevertreter Florian Brummer zumindest andeutete, blieb offen. So soll damals ein Kurde übersetzt haben, dessen Sprache mit Dari, das der Geschädigte spricht, lediglich verwandt ist. Selbst gestern kam es zu Verständigungsproblemen. Ein Beispiel: Beim Aufklappgeräusch des Messers war plötzlich von Stimme die Rede, einfach weil es laut dem aus München angereisten Dari-Übersetzer in der Sprache nur ein Wort für beide Begriffe gibt. "Das wird hier immer unübersichtlicher", klagte auch Richterin Nappenbach.

Fest steht unterdessen, dass es zu mindestens einem Fußtritt gekommen ist. Der Beschuldigte, ein 25-jähriger Arbeitsloser, gab die Gewalttat ohne Umschweife zu. "Ich bereue das, es tut mir leid", erklärte der Neuburger und entschuldigte sich ebenso wie einer seiner Mitangeklagten bei dem jungen Afghanen. Dass er mehrere Meter Anlauf und voll durchgezogen haben soll, bestritt der Mann aber. Und auch das Messer soll definitiv im Spiel gewesen sein. Doch während der 24-jährige Besitzer der Waffe zunächst noch auf sämtliche himmlischen Mächte schwor, die Klinge nicht herausgeholt zu haben, hieß es nur Minuten später, dass er sie lediglich zur Abwehr vor sich gehalten habe.

Licht ins Dunkel der Geschehnisse soll der zweite Prozesstag bringen. Er ist am nächsten Mittwoch geplant.