Dieter Nuhr begeistert im Festsaal

21.05.2017 | Stand 23.09.2023, 2:46 Uhr

−Foto: Martina Persy

Ingolstadt (DK) Der Kabarettist an sich schimpft gerne über das Schlechte in der Welt: Politik, Wirtschaft, Kirche - sie alle bekommen ihr Fett weg. Auf diesen "Hau drauf"-Reflex hat Dieter Nuhr jedoch keine Lust. Er spricht am Samstagabend im Stadttheater Ingolstadt lieber darüber, wie gut die Welt eigentlich ist.

Als Nuhr das Gefühl der Unsicherheit in den heutigen Tagen schildert, erkennt sich so mancher wieder. Egal, wo etwas Schreckliches, dank dem Smartphone wisse man sofort Bescheid und dank Liveübertragung vor Ort habe man auch gleich wie Bilder dazu vor Augen. "Wir haben keine Distanz mehr zum Elend dieser Wel", fasst Nuhr nüchtern zusammen. Im Gründe würden die Medien nur eine Abweichung von der Normalität zeigen, aber wenn man diese Abweichungen zu oft sähe, würde man sie irgendwie für die Realität halten.

Doch Nuhr hält vehement dagegen. Er berichtet vom Kalten Krieg, von Tschernobyl, vom Smog in den Städten, vom RAF- Terror, vom Sexismus der 60er Jahre und vom Waldsterben. "Die Welt ist heute ein erheblich besserer Ort als damals", fasst er zusammen. Die sonore Stimme, sein freundliches Gesicht und die ruhige Sprechweise vermitteln dem Zuschauer auf fast väterliche Weise: Alles gut.



Nuhr will aber nicht nur den Wutbürger in seiner unsinnigen Raserei einfangen, indem er etwa erklärt, dass auf der ganzen Welt mehr Menschen ertrinken als an terroristischer Gewalt sterben. Nein, natürlich will der 56-Jährige sein Publikum vor allem amüsieren. Er mokiert sich über die Konjunktur der Diktatoren - oder auch der aggressiven Zwerge - und erhält lauten Beifall auf seine Frage: "Haben sie auch das Gefühl, dass die Irren alle aus den Ritzen gekrochen kommen?" 

Von diesem Thema schlägt Nuhr die Brücke zu den Flüchtlingen und schließlich zu dem deutschen Rapper Bushido - so unnachahmlich klug und elegant, wie nur er es schafft. Nie verliert er den Faden aus der Hand oder das Publikum aus dem Blick. Galant begegnet er Bushidos abwertender Haltung ihm gegenüber und sein Gegen-Diss lässt gar den Poetry-Slammer in Dieter Nuhr hervorblitzen.

Auch Vertretern der Gender-Forschung und Links-Alternativen widmet sich der Kabarettist eingehend - aber nie böse, wie es mancher Bühnenkollege macht - sondern immer mit einer Portion Verständnis. Genau das ist symptomatisch für Nuhr und seinen Erfolg: Man muss nicht abwerten und stets unter die Gürtellinie zielen, um erfolgreich zu sein. Im Gegenteil. Viel weiter kommt man mit Intelligenz, Niveau und Souveränität. 

 

Jessica Roch