Jahrsdorf
Für Kaiser, Führer und Vaterland

Die Jahrsdorfer Brüder Sebastian und Josef Meyer kämpften in beiden Weltkriegen, der jüngere starb 1942 in der Ukraine

15.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:04 Uhr

Foto: DK

Jahrsdorf (HK) Die Jahrsdorfer Brüder Sebastian und Josef Meyer kämpften in zwei Weltkriegen: Sebastian, der ältere, Jahrgang 1894, noch für "Kaiser, König und Reich", Josef, Jahrgang 1909, für "Führer und Vaterland". Josef starb an der russischen Front. Sebastian überlebte beide Kriege.

In früheren Zeiten war es üblich, dass Brüder zum aktiven Kriegsdienst eingezogen und an die Front geschickt wurden. Die Brüder Sebastian und Josef Meyer aus Jahrsdorf sind hier keine Ausnahme, doch ihre Geschichte stellt insofern eine Besonderheit dar, da beide in zwei verschiedenen Weltkriegen kämpfen mussten.

"Weihnachten seid ihr wieder zu Hause", versprach sinngemäß Kaiser Wilhelm II. seinen Soldaten, als er sie im August 1914 an zwei Fronten in den Krieg schickte. Doch kurz vor Weihnachten 1914 war der Vormarsch seiner Armeen im Westen bereits gestoppt, die Truppen gruben sich auf einer Frontlänge von rund 700 Kilometern zwischen der Kanalküste und der Schweizer Grenze ein und verharrten im operativen Stillstand bei Trommelfeuer der Artillerie und sinnlosen Angriffen und Gegenangriffen, bei denen die Soldaten beider Seiten von Maschinengewehrsalven regelrecht niedergemäht wurden. Der Stellungskrieg im Westen war bereits im Begriff sich selbst zu perfektionieren.

Zwischen Kriegsausbruch und Weihnachten 1914 wurde der damals 20-jährige Bauernsohn Sebastian Meyer aus Jahrsdorf zum 2. Rekrutendepot des Ersatzbataillons des 10. Königlichen Bayerischen Infanterieregiments nach Ingolstadt eingezogen, wo er die Rekrutenausbildung absolvierte. Von ihm ist lediglich eine Feldpostkarte vom 17. Dezember 1914 erhalten. Er schrieb damals an seine Schwester Franziska, die zu dieser Zeit Dienstmagd bei Bauer Albert Gerngroß in Grauwinkl war, und bedankte sich bei ihr für die Zusendung eines Essenspaketes, dass sie mit Zustimmung und Unterstützung der Familie Gerngroß versandt hatte: "[ ...] Besonderen Dank deiner Bäuerin überbring deiner Herrschaft. Ihr glaubt es nicht, mit welchem Appetit ich es hier esse. [ ...]".

Weitere Feldpostbriefe oder -karten sind nicht dokumentiert, aber im Wehrpass von Sebastian Meyer sind sämtliche Einsätze eingetragen. Wenn man diese liest, kann man es kaum fassen, dass er diese Gemetzel überlebt hat. Sebastian Meyer wurde der 5. Kompanie des 10. Bayerischen Infanterieregiments zugeteilt und hat an sämtlichen wesentlichen Schlachten im Westen teilgenommen. Gleich nach seiner Ausbildung wurde er von Februar 1915 bis Juni 1916 bei St. Mihel eingesetzt. Unmittelbar danach nahm er bis August 1916 an den Kämpfen bei Verdun teil. Anschließend kämpfte er im Argonnerwald und an der Somme bis Ende September 1916. Danach bis Mitte März 1918 war er in Flandern eingesetzt, wo er auch die dritte große Flandernschlacht 1917 überstand.

Am 20. August 1917 erlitt Sebastian Meyer eine Gasvergiftung und war bis zum 25. November im Feldlazarett. Nach seiner Genesung wurde er wieder zu seiner Einheit entlassen. Ab Mitte März 1918 war er Teilnehmer an der letzten Offensive des deutschen Westheeres, bei der die deutschen Truppen noch einmal bis knapp 60 Kilometer vor Paris vorstießen, sich jedoch wegen mangelnden Nachschubs wieder zurückziehen mussten. Danach nahm er bis Mitte August 1918 an sämtlichen Abwehrkämpfen in Flandern, Verdun und an der Somme teil, wo er dann am 16. August 1918 in französische Kriegsgefangenschaft geriet.

Sebastian Meyer erzählte später nichts vom Krieg. Nur ein Mal, erinnert sich heute sein 1933 geborener Sohn Wendelin Meyer, erzählte er von seiner Gefangennahme und vom Spott der französischen Soldaten: "Nun kommt ihr doch noch nach Paris!"

Sebastian Meyer wurde am 3. März 1920 aus der Gefangenschaft entlassen und in das Durchgangslager Münster überstellt, wo er offiziell entlassen und ausgestattet mit "50 Mark und Entlassungsanzug" zur Versorgungsstelle Gunzenhausen geschickt wurde. Von dort aus kehrte er endgültig nach Jahrsdorf zurück. Er übernahm den elterlichen Hof und heiratete. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er zwar noch für die Landwehr erfasst, jedoch nicht mehr eingezogen, da der Betrieb der Landwirtschaft im Allgemeinen zur Sicherstellung der Versorgung als kriegswichtig eingestuft wurde. Ihm blieb auch ein Einsatz im "Volkssturm" während der letzten Kriegstage 1945 erspart.

Seinem jüngeren, 1909 geborenen Bruder Josef, war ein anderes Schicksal bestimmt. Er wurde Anfang 1942 zur 2. Kompanie des Infanterie-Ersatz-Bataillons 20 nach Regensburg einberufen. Auch von ihm sind lediglich zwei Postkarten aus der Zeit seiner Rekrutenausbildung erhalten. Der Inhalt ist sehr allgemein gehalten und übermittelt einen eher sorglosen Eindruck. In der ersten Karte vom 12. Februar 1942 teilt er mit, dass sie nun ihre " ... alte Kluft weggeschmissen" haben und neu eingekleidet wurden und dass er "fast keine Zeit zum Schreiben" hat. In der zweiten Karte vom 2. März 1942 berichtet er kurz von einem "Ausflug zum Donauhafen".

Danach wurde Josef Meyer zur 4. Kompanie des Infanterieregiments 63 an die Ostfront versetzt. Das war 1942 im Angriffskrieg gegen die Sowjetunion Teil der deutschen 6. Armee und im Gebiet südlich von Charkow in der heutigen Ukraine eingesetzt. Am 12. Mai 1942 startete die Rote Armee im Frontabschnitt Charkow unter Marschall Timoschenko mit 380 000 Mann eine Gegenoffensive und stieß schnell vor. Josef Meyer fand bei einem sowjetischen Panzervorstoß bei Jefremowka im Alter von 33 Jahren den Tod. Sein Kompanieführer konnte seinen Eltern keine persönlichen Hinterlassenschaften mehr zukommen lassen, da "das Kampfgelände in russische Hände fiel", wie er in seiner Nachricht vom 15. Mai 1942 mitteilte.

Der deutsche Gegenangriff begann am 17. Mai und mündete in die Kesselschlacht von Charkow, bei der die Truppen Timoschenkos eingeschlossen wurden und am 27. Mai kapitulierten. Durch diesen strategischen Sieg erkämpfte sich die Wehrmacht die Voraussetzung für den Vorstoß in Richtung Stalingrad, das zum militärischen Fanal werden sollte.

Der ältere Bruder Sebastian überstand beide Weltkriege und verstarb 1964 in Jahrsdorf.