Ingolstadt
Unter Vorbehalt

Von Wolfgang Weber

21.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:55 Uhr

Vor der großen Abstimmung des SPD-Parteitags für oder gegen Koalitionsgespräche mit der Union hatte Juso-Chef Kevin Kühnert die Maßstäbe zurechtgerückt: Gleichgültig, wie die Entscheidung fällt - das ist nicht das Ende der Geschichte.

Am Ende des Sonderparteitages sind er und die Anti-Groko-Bewegung in der SPD zwar unterlegen, aber immerhin haben sie ihrem selbstzufriedenen Parteivorstand einen gewaltigen Tritt versetzen können.

Inzwischen ist nicht mehr vom "hervorragenden Ergebnis" der Sondierungsgespräche mit CDU und CSU die Rede, sondern vom Besten, was den hartleibigen Konservativen an Verbesserungen für die Bürger abgetrotzt werden konnte. Und das nur in der ersten Runde, wohlgemerkt. Denn während nach den Sondierungsgesprächen CDU-Chefin Angela Merkel noch gönnerhaft den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz dafür lobte, dass er stets für gute Stimmung gesorgt habe, soll es jetzt "wesentlich aggressiver" zur Sache gehen. Oder, wie Fraktionschefin Andrea Nahles gestern versprach: "Wir werden verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite."

Denn zwar konnten im Sondierungspapier unbestreitbar viele sozialdemokratischen Forderungen untergebracht werden, ein unübersehbares Identifikationsprojekt aber fehlt. Ohne ein solches - so die Sorge vieler Delegierter, die gegen eine weitere große Koalition votierten - wird die SPD in den Augen der Wähler wieder nur als Anhängsel einer Merkel-geführten Regierung dastehen, statt als kraftvolles politisches Gegengewicht zu CDU/CSU. Dagegen betonten die Befürworter von Regierungsgesprächen immer wieder, dass auch wenig mehr als nichts sei und davon abgesehen, für eine 20-Prozent-Partei auch gar nicht wenig erreicht werden konnte. Und dass zudem jetzt in den Koalitionsverhandlungen noch mehr erreicht wird.

Denn Merkel scheut die Mühen einer Minderheitsregierung und will auch keine Neuwahlen. So bleibt der Union - nachdem die Verhandlungen mit FDP und Grünen so blamabel an die Wand gefahren wurden, nur die Partnerschaft mit der SPD. Und die kann es - auch nach dem Weckruf des Parteitages gestern - nur bei einem deutlich sichtbaren Eingehen der Union auf SPD-Forderungen geben. Auch wenn Scharfmacher wie Alexander Dobrindt von der CSU und seine Gesinnungsgenossen das bislang nicht einsehen wollen. Schließlich müssen nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen rund 440 000 SPD-Mitglieder, von denen viele überhaupt nicht begeistert sind von einem weiteren Bündnis mit CDU/CSU, dem ausgehandelten Vertrag zustimmen. Erst dann ist wenigstens diese Geschichte zu Ende.