Niko Kovac blickt auf eine „lehrreiche“ Saison mit dem FC Bayern zurück. In den Endspielen der Münchner um Schale und Pott geht's auch um seinen Job. Das olympische Motto zählt dabei nicht. Die Bosse stehen vor einer Grundsatzentscheidung.
Meister, Pokalsieger - und weg? Ausgeschlossen scheint dieses kurios anmutende Szenario bei Niko Kovac vor zwei Endspielen des FC Bayern nicht mehr.
Eine Jobgarantie der Münchner Bosse hat der 47-Jährige vor dem Finale um die Schale am Samstag gegen Eintracht Frankfurt und um den DFB-Pokal sieben Tage später in Berlin gegen RB Leipzig trotz eines Vertrages mit einer Laufzeit bis 2021 jedenfalls nicht. Zuspruch kam von Präsident Uli Hoeneß. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Sportdirektor Hasan Salihamidzic lassen bei ihren Statements Raum für Spekulationen.
Soll Kovac FCB-Trainer bleiben?
Pro: Erfolge anerkennen
Dauerhaft siegen, etwas anderes wird bei den Bayern nicht akzeptiert. Verwöhnt durch Heynckes’ Triple-Sieg 2013 scheinen die Münchner vergessen zu haben, dass es auch bei einem internationalen Spitzenklub nicht nur als Erfolg gewertet werden kann, wenn man in einer Saison alle drei Titel gleichzeitig holt. Auch den Kader aus der Herbstkrise an die Spitze der Tabelle zurückzuführen, wie es Niko Kovac gelungen ist, kann durchaus als respektable Leistung bezeichnet werden. Doch klare Bekenntnisse in Personalfragen, wie es sich jüngst auch Ex-Bayern-Kapitän Stefan Effenberg bezüglich Kovac wünschte, gibt es beim FC Bayern nicht. Stattdessen stehen schon beim ersten Anzeichen kleinerer Schlechtwetterwolken Gespräche über einen Wechsel auf der Trainerbank im Raum. Ja, Kovac ist unerfahren und ja, bei seinem Namen senken sich im Profifußball nicht sofort die Köpfe vor Demut, wie es bei einem Guardiola oder Ancelotti der Fall war. Doch wer Kovac mit einer realistischen Chance auf das Double Erfolg abspricht, sollte auch beim Rekordmeister einmal die eigene Anspruchshaltung überdenken. Den Trainer nur in der Position bestätigen zu wollen, wenn er tatsächlich die Titel holt, ist nicht nur feige sondern auch überheblich. Anna Hecker
Contra: Defizite in der Taktik
Niko Kovac hat es trotz der Krise im Herbst geschafft, die Stimmung bis zum Saisonende hoch zu halten – für Meisterschaft und DFB-Pokal mag das genug sein. Doch für die Champions League reicht es nicht – und damit wird er dem Anspruch des FC Bayern als Spitzenklub in Europa nicht gerecht. Vor dem Spiel gegen Schalke im Februar sagte Kovac: „Am Ende entscheidet die Individualität“ – eine Aussage, mit der Kovac sein taktisches Defizit offenbarte. Bei der 1:3-Niederlage gegen den FC Liverpool wurde das deutlich: Bayern hatte zwar knapp 60 Prozent Ballbesitz, konnte ihn aber nicht in eigene Tore ummünzen (Das 1:1 war ein Eigentor!). Zu wenig Bewegung, die Grundausrichtung war zu defensiv. Selbst seine Spieler monierten dies. Die Partien gegen den FC Liverpool haben gezeigt, dass Kovac die Erfahrung auf höchstem Niveau fehlt. Er spielt nicht in der selben Liga wie Jürgen Klopp oder Pep Guardiola. Letzterer hatte in München eindrucksvoll bewiesen, wie man dem Gegner sein dominantes Offensivspiel aufzwingt. Kovac schafft das bislang nur, wenn der Gegner Wolfsburg oder Mainz heißt. In der Champions League hat Klopp Kovacs Taktik mustergültig lahmgelegt: Gegen das Pressing der Reds fand er kein Mittel. Auch teure Transfers werden dieses taktische Defizit nicht ausgleichen können. Julian Bird