Kelheim
Von blutigen Kämpfen und menschlichen Tragödien

"Superstars mit Todesmut" heißt die neue Ausstellung im Archäologischen Museum Kelheim.

16.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:01 Uhr
Musikalisch umrahmt wurde die Ausstellungseröffnung von Thomas Dürr, der auch versuchte, den Klang der Musik jener Zeit nachzuempfinden. −Foto: Ammer

Kelheim (DK) Die römischen Gladiatoren, die es hier zu bestaunen gibt, sind zwar nicht aus Fleisch und Blut, in ihren wilden Aufmachungen üben sie aber dennoch eine Faszination aus - auf Jung und Alt gleichermaßen.

Kelheim (DK) Furchteinflößende Gestalten stehen regungslos hinter dicken Absperrseilen. Aus ihren silbernen Helmen wachsen bunte Federn, zum Teil in einem wilden Durcheinander, die bedrohliche Schatten an die Wände hinter ihnen werfen. Sie tragen große Schilde, lange Schwerter, einer hält ein grobmaschiges Netz in der Hand. Gesichter sind keine zu erkennen hinter den vergitterten Visieren.

"Finden Sie mal eine Schaufensterpuppe, die unter der schweren Gladiatorenausrüstung nicht zusammenbricht", erzählt Museumsleiter Bernd Sorcan bei der Eröffnung der neuen Ausstellung von diversen Schwierigkeiten, mit denen er und sein Team bei der Umsetzung ihrer Ideen zu kämpfen hatten. Nach dem ersten Probelauf habe der Film plötzlich nicht mehr funktioniert, Plakate seien falsch zugeschnitten worden und vieles mehr. "Meine Leute haben mich verflucht", sagt Sorcan - und er sich selbst hin und wieder auch. Für die Idee, eine Ausstellung über römische Gladiatoren zu konzipieren. Doch trotz der anfänglichen Widerstände und aller zu lösenden Probleme: Die mühevollen Stunden haben sich gelohnt. An diesem Eröffnungstag ist Sorcan stolz auf die Arbeit seines Teams und damit auf die Ausstellung, die nun im ersten Stock des Archäologischen Museums Kelheim zu bestaunen ist. Zurecht: In dem stimmigen Raum im spätgotischen Herzogskasten ist eine ganz eigene Welt entstanden, die das Klirren von Schwertern inmitten eines Amphitheaters erahnen lässt. Zumindest in den Köpfen der Menschen erwächst im Ausstellungsraum ein antiker Kampfplatz: Blut und Spiele auf sandigen Bühnen, umringt vom mitfiebernden römischen Volk.

Doch waren die Gladiatoren wirklich blutrünstige Schlächter? Ein Klischee, das die Filmindustrie gerne unterstreicht, ist das des muskelbepackten Helden, der seinem Gegner ohne seelische Regung den Todesstoß versetzt, beschreibt Bernd Sorcan. Haltlose Geschichtsaction für den Experten. "Hinter den Figuren in Rüstung steckt mehr: Menschen, Schicksale", weiß er. Und statt hemmungslos blutiger Gemetzel unterlagen die Duelle strengen Regeln, darauf ausgerichtet, das Publikum durch die hohe Kunst des Kampfes dieser darin ausgebildeten Männer zu erfreuen. Für den Gladiator barg die Gefahr in der Arena eine Chance: Die Aussicht, Tod und Sklaverei zu entgehen, freigelassen zu werden. Dennoch: Bis zu 600000 Menschen haben im Kolosseum in Rom ihr Leben verloren - "nirgendwo sind mehr Menschen auf einem Fleck gestorben", erzählt Sorcan.

"Es war ein großer Verlust, einen aufwendig trainierten Gladiator zu verlieren. Dass einer umkommt war eher die Ausnahme", weiß Sammler Rudolf Brandl aus Salach, der dem Museum einige Exponate zur Verfügung gestellt hat. Die Ausstellung findet er gelungen, auch wenn sie vor allem aus Repliken bestehe. Doch es sei schwierig, große Objekte aus der Zeit zu bekommen. Gladiatoren habe es in der Region um Kelheim vielleicht auch gegeben, doch die Kämpfe seien auf wenige Arenen beschränkt gewesen.

Dass die Römer für Kelheim eine wichtige Rolle gespielt haben, ist unumstritten. Dabei lag der Bereich südlich der Donau im Römischen Reich, "der Norden war unzivilisiertes Barbarenland", sagt Bürgermeister Horst Hartmann (SPD). Doch dank der Brücken und Fähren sei von dieser Trennung heute nichts mehr zu spüren. Dieser sogenannte nasse Limes könnte Welterbe werden, der Antrag für die Donau zwischen Bad Gögging und dem ungarischen Kölked ist bei der UNESCO in Paris eingereicht.

In seinen Grußworten geht Hartmann auf den Titel der Ausstellung ein - "Superstars mit Todesmut" - und kommt zu dem Schluss: "Die Fußballer sind die Gladiatoren der Neuzeit". Zwar nicht ihres Todesmuts wegen, doch der römische Ausdruck "panem et circenses", Brot und Spiele, treffe ebenso auf sie zu, wie das Bild der bewunderten Superstars. Kein Wunder also, dass in der Ausstellung neben einem Modell einer römischen Arena auch die Fotografie eines Fußballstadions zu sehen ist.

Weiterempfehlen würden auch Renate und Ottmar Lotter aus Kelheim die Ausstellung. Sie sind Freunde des Museums und interessieren sich für die Römerzeit. Den bayerischen Limes sind sie selbst abgelaufen - "nur mit dem Kämpferischen haben wir es nicht so", sagen sie mit Blick auf die Gladiatoren in ihren wilden Aufmachungen.

Besonders begeistern dürfte junge Besucher der interaktive Teil, denn in der Ausstellung darf jeder einmal zum Gladiator werden, zumindest optisch. Schild, Holzschwerter und ein silberner Helm warten darauf, an- und ausprobiert zu werden. Allerdings brauchen die Kleinen hier doch etwas Unterstützung, denn der Helm sieht nicht nur aus wie ein echter, er hat auch das Gewicht eines Helms der damaligen Zeit. Wer ihn also aufsetzt, der spürt am eigenen Leib: Ein Gladiator hatte es definitiv schwer.
 

Isabel Ammer