Leserbrief
Das Gymnasium ist kein Leidensort

17.05.2019 | Stand 02.12.2020, 13:57 Uhr

Zum selben Interview:Mit einiger Verwunderung las ich einige Aussagen von Simone Fleischmann.

Schon die Überschrift "Wir verlieren zu viele Kinder" wirkt mehr als befremdlich. Wohin verlieren wir unsere Schüler? Es sollte hier auch nicht von "verlieren" gesprochen, sondern vielmehr die Durchlässigkeit unseres Schulsystems gelobt werden, die es den Eltern und Kindern erlaubt, eventuelle Fehlentscheidungen zu korrigieren. Die Erklärung im Interview, dass "Schüler zurückversetzt werden von Gymnasium an die Realschule, aus der Realschule an die Mittelschule" kann nicht unwidersprochen stehen gelassen werden, weil sie eine hierarchische Wertung enthält. Wir haben grundsätzlich drei Schultypen, die die verschiedenen Interessen und Begabungen der Kinder abdecken. Spätere Karrieren der Kinder bestätigen dies. Was bedeutet "wahnsinnig viele Schüler"? Ich unterrichte seit 40 Jahren am Gymnasium und kann die Zahl der Schulwechsler keineswegs so beschreiben. Genaue Zahlen wären hier angebracht. Die Empfehlungen der Grundschullehrer für die entsprechende Schulwahl sind sehr fundiert und verhindern, was Frau Fleischmann so drastisch beschreibt.

Sehr erstaunlich ist die Aussage, dass Eltern gelobt werden müssen, wenn sie zunehmend ihre Kinder mit Gymnasialeignung in der Realschule und nicht am Gymnasium anmelden, ist es doch eine indirekte Aufforderung, den Gutachten ihrer Kollegen, die gymnasiale Eignung bescheinigen, nicht zu folgen. Beide Schulen bieten entsprechend der Begabung und Neigungen der Kinder verschiedene Bildungsschwerpunkte. Wenn Kinder, die eher für den gymnasialen Zweig geeignet sind, an die Realschule gehen, leiden sie vielleicht ebenso wie umgekehrt. Die zunehmende Kritik am Gymnasium als Leidensort, an dem Schüler "durchgepresst" werden, muss ich entschieden zurückweisen. Das Gymnasium ist eine Schulform, die sehr viel bietet, an der man vielfältiges Wissen erwerben kann, Förderung erfährt und bei der man mit entsprechender Eignung und Fleiß nicht auf der Strecke bleibt. Viele Gespräche mit Eltern und Schülern, auch ehemaligen, bestätigen das.

Die Schulwahl sollte sich an der Begabung der Schüler orientieren, nicht an der Angst vor potenzieller Überforderung.

Veronika Kettner, Lehrerin am Schyren-Gymnasium

Pfaffenhofen