Altmannstein
Spaß ohne Spielzeug

Der Altmannsteiner Kindergarten St. Josef startet ein ungewöhnliches Projekt

12.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:45 Uhr
Die Brotzeit schmeckte an der frischen Luft besonders gut. −Foto: Kellner

Altmannstein (ksh) Der Altmannsteiner Kindergarten St. Josef beschreitet neue Wege. Um dem Nachwuchs die Fähigkeit zu vermitteln, sich mit sich selbst zu beschäftigen, wurde das Projekt "Spielzeugfrei im Kindergarten" gestartet.

Immer häufiger werden die Bedürfnisse von Kindern nach Aufmerksamkeit, Zuwendung und Zeit durch Spielzeug, Fernseher und Computer unterdrückt. Doch in St. Josef möchten die Erzieherinnen den Kindern einen anderen Weg weisen. Nach und nach nahmen die Mädchen und Buben in ihren Gruppen Abschied vom Kindergartenspielzeug.

 

Auch ohne feste Spielabläufe und ohne vorgefertigtes Spielmaterial soll gespielt werden. Kommunikation ist also gefragt. Denn die Kinder müssen einander genau mitteilen, was und vor allem, wie sie spielen wollen. In der Praxis wird schnell die positive Wirkung auf die Sprachentwicklung und die aufblühende Kreativität sichtbar: Wenn aus Nudel- und Schuhkartons plötzlich Hochhäuser werden und selbst gebastelte Papierfiguren in der Eierschachtel über das Meer schippern. Um die Gefährten von der eigenen Spielidee zu überzeugen, müssen die Kinder stärker als sonst miteinander in Beziehung treten. Das stärkt das Selbstvertrauen und gibt den Kindern mehr Sicherheit beim Umgang mit anderen.

Das Ziel des Projektes besteht darin, dass die Kinder über ihre Zeit selbst verfügen, um ihren eigenen Rhythmus zu entwickeln. Die Erzieherinnen greifen nur wenig in den Spielfluss ein. Spielsachen sind aber nicht grundsätzlich schlecht, wie die Kindergartenleiterin Claudia Schiereis bekräftigt. Spielen sei ein Grundbedürfnis der Kinder. Allerdings sollte das Spielzeug eher auf die kindlichen Bedürfnisse und ihrer Fantasie abgestimmt sein. Die lauten und schrillen Fertigprodukte der Spielzeugindustrie, deren Spielzweck schon genau vorgegeben ist, seien da eher ungeeignet. Weniger Spielzeug helfe den Kindern bei vielen Dingen, beim Lernen, Ordnung halten, der Entfaltung der eigenen Kreativität und dem respektvollem Umgang mit Dingen, aber auch untereinander. Nach drei abenteuerlichen Wochen, in denen das Gruppenbild von Pappschachteln, Wollfäden und selbst gebauten Kuschelhöhlen geprägt war, darf das Spielzeug nun langsam wieder einziehen.

Den Höhepunkt der "spielzeugfreien Zeit" bildet in diesem Jahr die Waldwoche. Eine liebgewonnene Tradition des Kindergartens, die sich alle zwei Jahre wiederholt. Mit Turnschuhen, Rucksack und Cappy ausgestattet, geht es für die rund 80 Kinder eine Woche lang jeden Morgen in den Wald. In einem abgesteckten Waldstück in der Nähe des Jakobswegs schlagen die Gruppen ihre Lager auf. Wie kleine Vögel sitzen die Buben und Mädchen in ihren selbstgebauten Gruppennestern und kauen ihre Brotzeit, die an der frischen Luft und nach dem anstrengenden Aufstieg zum Camp, noch besser schmeckt. Bei so einer großen Fläche, so vielen Stöcken, Blättern und Zapfen ist der Spaß garantiert.

Aber auch Wissen will vermittelt werde. Nachdem sich ein Junge der Mäusegruppe, am Tag zuvor an einer Brennessel verbrannt hat, sprechen im Morgenkreis alle über dies Pflanze. Die Kinder lernen, dass nur die Härchen auf Blattoberseite das gemeine Brennen verursachen. Schmetterlinge kennen einen Trick, den jetzt auch die Kinder lernen, denn die Blattunterseite der Brennessel ist völlig ungefährlich. Die Schmetterlinge wissen das und legen hier gut geschützt ihre Eier ab, aus denen später die Raupen schlüpfen. So mutig wie die Schmetterlinge sind auch die Kinder - mit ihrer Hand streichen sie über die Blattunterseite der sonst so gefürchteten Pflanze.

Für alle ist im Wald etwas geboten. Die aktiveren Kinder sammeln Stöcke und bauen daraus eine Höhle, springen in Blätterhaufen und klettern auf Bäume. Die ruhigeren sammeln Federn, Zapfen und kleine Äste, um daraus kleine Naturkunstwerke zu basteln. Der Wald schallt von Kinderlachen.

Die Erzieherinnen freuen sich über das schöne Wetter. Vor zwei Jahren musste die Waldwoche wegen Dauerregens nach nur zwei Tagen abgesagt werden. Doch in diesem Jahr ist das Wetter wie bestellt. So können Kinder und Erzieherinnen gemeinsam die Zeit in der Natur genießen, Bäume bestimmen und Käfer beobachten, die es im Garten des Kindergartens nicht zu sehen gibt. Eine wunderschöne Abwechslung und eine Bereicherung für alle - und das ganz ohne Spielsachen.