Vohburg
"Bisher habe ich nur einmal eingegriffen"

Renate Schleibinger ist die Souffleuse am Burgberg - Zur Not ruft sie auch den Namen des Schauspielers

12.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:31 Uhr
Warten auf den Einsatz: Souffleuse Renate Schleibinger sitzt mit dem Textbuch vor der Tribüne. −Foto: Brunner

Vohburg (PK) Am besten ist es, wenn Renate Schleibinger bei den Aufführungen der Vohburger Freilicht-Festspiele den ganzen Abend nichts sagt.

Denn dann hat alles geklappt - zumindest mit den Texten und Einsätzen der Schauspieler. Denn Schleibinger ist die Souffleuse und kommt nur zum Einsatz, wenn jemand einen Texthänger hat. "Bisher habe ich nur einmal eingegriffen", sagt Schleibinger vor den drei letzten Vorstellungen auf dem Burgberg an diesem Wochenende.

Man vermutet eine Souffleuse versteckt, am besten in einer Muschel, damit sie aus dem Publikum niemand sehen kann. Weit gefehlt: Schleibinger sitzt in Vohburg in der ersten Reihe, das dicke Textbuch in der Hand. "Ich muss nur da sein", umschreibt sie es. Und sieht sich als mentale Unterstützung für das Ensemble: "Ich sitze da, und für die Schauspieler ist alles gut. " Und wenn sie gebraucht wird, weiß sie es schon vorher: "Ich erkenne am Gesichtsausdruck der Schauspieler, ob sie meine Hilfe brauchen. "

"Jeder hat mal einen Blackout", weiß Schleibinger. Wenn einem Schauspieler der Text abhanden kommt oder wenn er denkt, er sei fertig mit seinem Einsatz. Wenn die Souffleuse dann eingreift, ist es ihr egal, ob es das Publikum merkt: "Einmal habe ich einem Schauspieler einen Satz fast schon zugeschrien. Und er hat nicht reagiert. Dann habe ich seinen Namen gerufen, und er war wieder da. " Schleibinger geht aber stets behutsam ans Werk: "Ich setze erst ein, wenn ich merke, jetzt geht gar nichts mehr. "

Renate Schleibinger hatte schon vor ihrer neuen Aufgabe Schauspielerfahrung - natürlich bei den Freilicht-Festspielen: "Ich habe 2009 mitgespielt bei der Agnes Bernauer. Damals hat man Tänzer gesucht. Und ich tanze für mein Leben gern. " Auch 2011 war sie im Einsatz - nun als Kleiderfrau, die den Schauspielern beim Einkleiden hilft, auch mal einen Knopf annäht, das Kleidungsstück richtet oder vorbereitet. "2013 war ich auch noch mal dabei. " 2015 und 2017 fehlte Schleibinger aus privaten Gründen. Heuer ist sie zurück - eben als Souffleuse. "Einen Tag vor der ersten Sprechprobe hat man mich angesprochen, ob ich nicht Souffleuse machen könnte", sagt Schleibinger. Ihr ehemaliger Schwager Ludwig Schleibinger, zusammen mit Peter Schärringer Projektleiter der Festspiele, meinte nur: "Renate, wir brauchen Dich. Aber nicht als Statist, sondern als Souffleuse. " "Ich weiß ja nicht, ob ich das kann. " "Das kannst Du schon, und mit dem Regisseur kommst Du bestimmt auch klar. " Dann musste es schnell gehen: "Meine Vorgängerin Brigitte Rettermayer hat mir viele Tipps gegeben, erzählt, wie sie es gemacht hat. " Mit der Zeit wurde es aber Schleibingers "eigenes Ding". Nun findet sie es "sehr spannend". Am Anfang fühlte Schleibinger sich etwas unbeholfen, aber man wachse rein in die Aufgabe, die so interessant sei. Die Premiere lief toll. "Und das steigert sich noch bis zur letzten Vorstellung. Das ist der Wahnsinn, wie sich das ab der ersten Probe entwickelt", sagt sie.

Schleibinger, die in Vollzeit arbeitet und nebenher noch selbstständig ist, liebt diese Freizeitbeschäftigung. Natürlich habe sie viel zu tun. "Aber Dienstag und Freitag ging es immer gut gelaunt auf den Berg, wie wir sagen. " Es sei anstrengend, auch die Premiere war es. "Wenn die Menschen dann klatschen, lachen und ihren Spaß haben, war es die ganze Vorbereitung wert. " Die Mitarbeit bei den Freilicht-Festspielen in Vohburg ist für Schleibinger "etwas Besonderes": "Es ist schön, beim Theater mitmachen zu dürfen. " Man werde auf der Straße angesprochen. Die Zeit der Vorbereitung und der Aufführungen sei für sie wie die Zeit in einer großen Familie, die sich gut versteht. "Man begrüßt sich, man freut sich aufeinander, irgendwann vermisst du die, die nach dem Ende der Spielzeit nicht mehr da sind. " Für Schleibinger entstehen in den fünf Monaten der engen Zusammenarbeit auch neue Freundschaften.

Wie vorhergesagt hat sich Renate Schleibinger auch mit Michael Bleiziffer gut verstanden. Mit dem Regisseur, für sie ein Künstler durch und durch, komme sie gut zurecht. Es sei toll zu beobachten, wie Bleiziffer die Schauspieler da abhole, wo sie gerade stehen. "Er hat ein gutes Händchen und weiß immer, wie er jeden einzelnen Darsteller anpacken muss. " Er lobt und kritisiert, ohne jemandem auf den Schlips zu treten. Und er habe immer Ideen: "Er sprudelt förmlich über. " Die Aufgabe als Souffleuse macht Schleibinger also Spaß, aber sie könnte sich auch etwas anderes vorstellen: "Ich würde auch gerne einmal wieder mitspielen. Ich glaube, das könnte ich. " Immerhin schauspielert Renate Schleibinger bei den Stadtführungen mit.