Haidhof
Wenn die Glückshormone tanzen

13.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:33 Uhr
Im Geschwindigkeitsrausch: Mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde saust DK-Redakteurin Xenia Schmeizl im Speed-Bob ins Tal hinunter. −Foto: Schmied

Haidhof (DK) DK-Redakteurin Xenia Schmeizl liebt den Nervenkitzel. Höher, schneller, weiter - das ist ihr Motto. Um ihren Adrenalinspiegel in die Höhe zu treiben, testet sie im Rahmen der Serie "Ich war noch nie" die Speed-Bob-Bahn im Riedenburger Ortsteil Haidhof. Ein Selbstversuch im Geschwindigkeitsrausch.

Adrenalin. Das Herz wummert, der Atem wird schneller und die Gedanken rasen, der Puls galoppiert, der Körper steht unter Höchstspannung: Ein Adrenalinstoß ist wie ein Rausch - und zwar einer, der süchtig machen kann. Die Suche nach dem ultimativen Kick treibt Menschen zum Bungee-Springen. Oder Paragliding. Oder auch zum Achterbahnfahren.

Um eines vorwegzunehmen: Ich gehöre genau zu diesen Adrenalin-Junkies. Ich geb's zu. Wenn es nach mir geht, können die Aktivitäten nicht wild genug sein. Kein Looping ist zu verrückt, keine Abfahrt zu waghalsig. Höher, schneller, weiter - das ist mein Motto, Hauptsache die Glückshormone tanzen. Damit genau das passiert, habe ich mich entschlossen, die Speed-Bob-Bahn in Haidhof zu testen. Muss ja nicht gleich immer ein Sprung à la Felix Baumgartner aus dem Weltall Richtung Erde sein.

Ich hüpfe in den kleinen Bob, spanne den Gurt um meine Hüften und meinen Oberkörper, fast so als würde ich im Auto sitzen. Betriebsleiter Franz Bühler wünscht mir eine gute Fahrt. Ein Ruck und dann geht's los. Der kleine graue Bob mit der Nummer zwölf fährt mich auf einer eisernen Schiene langsam in Richtung Himmel. Die Bahn knarzt, ächzt und quietscht. Meine Hände sind leicht feucht - und das nicht nur wegen der Sonne, die gnadenlos auf meinen Kopf knallt. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

60 Kilometer pro Stunde erreichen die Speed-Bobs bei der Fahrt ins Tal - davon bin ich im Moment noch weit weg. Am Rand winkt DK-Kollegin Kathrin Schmied, die heute für die Fotos zuständig ist. Ich winke cool zurück - muss sie ja nicht wissen, wie aufgeregt ich eigentlich bin. Die Speed-Bob-Fahrt gleicht einer Achterbahnfahrt. Es geht langsam los. Die Ruhe vor dem Sturm. Man wird irgendwo sehr steil hochgezogen und weiß: Wo es hochgeht, geht es auch wieder runter. Davon bin ich aber noch weit entfernt. Gemächlich tuckert mein grauer Flitzer nach oben. Aus einer Lautsprecherbox dudelt der Gute-Laune-Song "Wake Me Up". Die Textzeile "Guided by a beating heart" scheint in diesem Moment passender denn je. Unter mir düst auf der Sommerrodelbahn ein Kind mit seiner Mama vorbei. Hätte ich mich vielleicht doch für den gemächlicheren Bob entscheiden sollen, bei dem ich selbst bremsen kann, frage ich mich. Zu spät. Jetzt sitz ich schon. Es ist schon seltsam. Ich bin schon in die wildesten Höllenmaschinen eingestiegen - Euro Star, Free Fall, Silver Star (eine der höchsten Achterbahnen Deutschlands). Eigentlich weiß ich, was auf mich zukommt. Und doch ist es immer dasselbe: Kurz bevor der große Moment kommt, der Augenblick, wo es nach unten geht, man dem Fahrgerät ausgeliefert ist und die Eingeweide und der Magen durch die Fliehkraft nach oben verrutschen, bereut mein Hirn, mich in diese Maschine manövriert zu haben. Mein Körper will fliehen. Abhauen. Sofort.

Doch zu spät. Ich bin oben angekommen. Der Bob fährt eine Rechtskurve. Ich habe nun Blick von oben auf das sich schlängelnde Eisengestell, das ich in wenigen Sekunden nach unten preschen werde. Meine Lungenflügel füllen sich mit einer riesigen Portion Sauerstoff - sinnvoll eigentlich, so habe ich genügend Puste für den nachfolgenden Schrei. Das Herz rast, die Muskeln spannen sich an. Der Adrenalin- und Endorphinspiegel klettert in die Höhe - nutzlos, lieber Körper, dein Fluchtinstinkt läuft hier oben, festgeschnallt im Sitz, sowieso ins Leere.

Der Abgrund kommt näher. Und näher. Auweia. Es geht nach unten. Mit Vollkaracho. Die ersten beiden Kuppen sind harmlos. Pillepalle. Ganz anders die nächsten. Die haben es in sich. Ich schreie. Kralle mich an den Außenseiten des Bobs fest. Ich habe das Gefühl abzuheben. Gut, dass mich der Gurt festhält. Die Welt zieht an mir vorbei. 30 Sekunden im Geschwindigkeitsrausch. Mein Körper reagiert mit allen verfügbaren Warnsignalen - Adrenalin, Kortisol, Endorphin, das ganze Hormonregister. Ich kreische, vor Freude, vor Angst, vor Aufregung. Meine Halsschlagader trommelt einen wilden We-will-rock-you-Beat, der mir bis in die Ohren pocht und alles übertönt. Der Fahrtwind bläst mir die Haare aus dem Gesicht und Tränen in die Augen. Meine Kontaktlinsen kleben wie Kaugummi an meiner Pupille. Mein Körper ist vollgepumpt mit Glückshormonen, die in meinem Kopf eine Party feiern. Es ist alles gut. Unten angekommen habe ich nur eins im Sinn: Noch mal!

 

Xenia Schmeizl